Sonntag, 21. Juni 2009

I can add colours to the chameleon

…Change shapes with Proteus for advantage” (3 Henry VI, III, ii, 191-193). So spricht Shakespeares machtsüchtiger und tyrannischer Herrscher Richard III. Um König von England zu werden, ist Richard bereit, mehr Farben als ein Chamäleon aufzuweisen und in die Rolle von Proteus zu schlüpfen. Proteus ist eine Gottheit der griechischen Mythologie, die die Gabe hat, ihre Gestalt zu verändern. Richard III. ist eine der bösesten und hinterlistigsten Figuren Shakespeares. Er wird von Shakespeare nicht nur als herz- und skrupellos dargestellt, sondern seine charakterliche Bosheit zeigt sich auch in seiner äußeren Gestalt. So hat Shakespeares Richard einen Buckel, schiefe Zähne und wurde per Kaiserschnitt geboren, was damals den Ruf des Teuflischen innehatte. Richard wird durch Intrigen und Boshaftigkeit König, wobei er auch nicht von der Tötung kindlicher Thronfolger zurückschreckt.
Trotz seiner Boshaftigkeit übt Richard eine Faszination auf den Leser bzw. Theaterzuschauer aus. Seine Gerissenheit und seine Fähigkeit, andere Menschen zu manipulieren haben eine gewisse Anziehungskraft. So ist Richard III. das meist gespielte Stück Shakespeares und es gibt zahlreiche Verfilmungen.
Die Fähigkeit, die eigene Farbe oder Gestalt zu verändern bringt Richard auf den Thron. Er schafft es, sich immer so zu zeigen, wie er gesehen werden will und kommt so diplomatisch an sein Ziel. Er lügt, schmeichelt und sagt den Menschen, das was sie hören müssen, um ihm gewogen zu sein. Grundsätzlich muss solches Verhalten wohl als unmoralisch und unehrlich bewertet werden. Aber ich habe mich in der letzten Woche oft gefragt, wie viel Richard III in mir und in uns allen steckt und dies vielleicht auch muss, um nicht mit leeren Händen dazustehen.
Unser Alltag und ich denke dabei vornehmlich an die berufliche Sphäre zwingt uns doch ständig, wie ein Chamäleon die Farben der Situation entsprechend zu ändern. So musste ich letzte Woche oft meine Gestalt meinem Gegenüber so anpassen, dass ich am Ende nicht als die Verliererin, die Schuldige oder die Unverantwortliche gesehen wurde. Habe ich dabei Leuten unehrlich geschmeichelt? Ja. Habe ich dabei Dinge gesagt, die ich eigentlich anders sehe? Ja. Habe ich gelogen? Nein, das nicht. Habe ich andere beschuldig oder in ein falsches Licht gerückt? Nein, auch so weit bin ich nicht gegangen. Ich hätte jedoch weiter gehen können. Wo sind die Grenzen, wenn es darum geht im Beruf oder auch privat weiterzukommen? Abläufe sind so komplex, dass es immer wieder passiert, dass Ereignisse, Meinungen und Handlungen falsch verstanden, wiedergegeben und interpretiert werden. Beim Richtigstellen solcher Missverständnisse stellt sich die Frage, wie weit man gehen darf, ohne die Grenzen der selbst gesetzten moralischen Maßstäbe, die bei Richard recht niedrig waren, zu übertreten.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit man ein Proteus sein darf, ohne sich selbst zu verraten. Es wird immer so sein, dass es Vorgesetzte oder andre Menschen gibt, die darüber entscheiden, was mit uns geschieht. Unter diesen Personen werden immer welche sein, die sich nicht durch objektive, sachliche Argumente leiten lassen, sondern die umschmeichelt und bestätigt werden müssen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sich niemand davon frei sprechen kann, nach Sympathie und subjektivem Empfinden zu handeln. Ich finde es so schwer, die Grenze zwischen schleimpfützenbildenden Opportunismus und dem unliebsamen Bestehen auf die eigene Meinung und Prinzipien zu finden. Wie so oft liegt der richtige Weg sicher in der goldenen Mitte. Ich denke, manchmal muss man sich selbst zurücknehmen und wichtigen Menschen zum Mund reden, da alles andere Energieverschwendung und Dummheit wäre. Trotzdem werde ich sicherlich oft zu den Personen gehören, die von besseren Chamäleons und Proteuesen ausgestochen werden, aber diesen Preis bin ich zu Gunsten meiner Selbstachtung und Beruhigung meines Gewissens zu zahlen bereit. Ich möchte kein Richard sein, zumal er am Ende für all seine Gräueltaten bestraft wird ;)

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