Montag, 19. Oktober 2009

Our remedies oft in our selves do lie.

Our remedies oft in ourselves do lie.
(All’s well that ends well, I, 1.)

Dieses Zitat finde ich interessant, weil ich mich in letzter Zeit öfter gefragt habe, ob und in welchem Maße wir allein für uns selbst sorgen können und müssen. Ich meine damit nicht das Sorgen um die eigene Existenz und das körperliche Wohlergehen, sondern das Sorgen und Kümmern um unser seelisches Wohlergehen. Liegt es ganz an uns, dass es uns gut geht? Oder dürfen wir unser Wohlergehen in die Hände anderer geben, uns von anderen abhängig machen? Müssen wir uns selbst genug sein?

Wenn man allein ist, also außerhalb einer Partnerschaft, und besonders wenn man gerade eine Trennung hinter sich hat, hört man doch von Freunden den gutgemeinten Rat, jetzt erstmal mit uns allein glücklich werden zu müssen, unser Leben allein zu führen und ganz einfach mit uns allein zufrieden zu sein. Das ist ganz schön schwer, wenn man lange gewohnt war, alles zu teilen: die Sorgen, den Kummer, die Arbeit und vor allem die schönen Momente. Auf einmal soll es schön sein, für sich allein etwas zu kochen, allein den Abend zu verbringen und eben einfach mit sich selbst allein zu sein. Das alles sei wichtig, so die klugen Ratgeber, um wieder Platz in einer neuen Beziehung finden zu können. Ist das wirklich so? Muss man erst allen glücklich sein, um es zu zweit zu werden?

Natürlich sollte man sich erstmal selbst finden. Zu wissen, wer man ist, ist wichtig, um in einer Partnerschaft aktiv zu handeln und zu leben. Es ist gut möglich, dass Zeit nötig ist, um allein herauszufinden, was man wirklich mag, und wer man wirklich ist. Aber ich denke, dass wir Menschen uns ohne andere gar nicht definieren können. Meiner Meinung nach gibt es nicht das ICH und die anderen sondern nur das ICH mit den anderen. In diesen vermeintlichen Selbstfindungsprozessen von Neu-Singles geht es doch nicht darum, sich zurückzuziehen und zu sehen, wer man selbst ist. Nein, man geht raus, knüpft neue Kontakte, durch die mitunter neue Seiten der Persönlichkeit entdeckt werden können. Ich denke also, dass man sich selbst nie genug sein kann, da man immer andere braucht, die einen inspirieren, neu erfinden, halten, stützen und so weiter.

Der Grund, warum Neu-Singles das Alleinsein so schwer fällt, ist natürlich die geistige und seelische Abhängigkeit, in die man sich in einer Beziehung, absichtlich oder auch nicht, begibt. Oft wird diese Abhängigkeit als negativ bewertet. Teils wegen der Gefahr der Selbstaufgabe, die mitunter auch zum Scheitern einer Beziehung führen kann, da so die Partner aufhören gleichberechtigt zu sein, teils wegen der Gefahr des Fallens, wenn die Beziehung zerbricht. Darf man sich deswegen nicht von anderen abhängig machen? Müssen wir deswegen in einer Beziehung und auch in einer Freundschaft stets darauf achten, selbstständig zu bleiben, nichts aus der Hand zu geben?

Ich bin geneigt „Nein“ zu antworten. Die Probleme einer, vor allem zu starken einseitigen, Abhängigkeit sind mir bewusst. Ich sehe jedoch gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse unter Freunden und in Beziehung als etwas natürlich Menschliches und auch als durchaus positiv. Dass Freunde und der Freund für einen da sind, einem bei Problemen helfen und einem das Leben erleichtern, spricht doch dafür, sich ein Stück weit abhängig zu machen, und sein Glück in ihre Hände zu legen. Außerdem gibt es doch kaum einen größeren Vertrauensbeweis, als zu sagen: „Ich weiß du lässt mich nicht fallen, darum bin ich bereit, mich ein Stück von dir abhängig zumachen“, ist das nicht eigentlich sogar das Kernstück zwischenmenschlicher Beziehungen?

Es kann sein, dass ich das gerade auch alles so sehe, weil es einfacher ist, die Hilfe und das Dasein von Leuten anzunehmen, als allein zu kämpfen, aber selbst dann, hat das doch auch etwas Positives, oder?

Montag, 28. September 2009

Did my heart love till now?

Did my heart love till now? Forswear it, sight!
For I ne’er saw true beauty till this night. (Romeo and Juliet, I. 5.)

Diese Worte spricht der liebestolle Romeo beim ersten Anblick seiner Julia. Bevor er Julia sah, war er unsterblich in das Mädchen Rosalind verliebt, der Anblick Julias lässt ihn Rosalind sowie seine Liebe zu ihr einfach vergessen, ja sogar leugnen, da sein Herz erst jetzt zu lieben beginnt.

Was diese Geschichte über die Vergänglichkeit und die Aufrichtigkeit von Liebensschwüren aussagt, soll jetzt nicht besprochen werden. Stattdessen möchte ich den hoffnungsvollen Aspekt dieser Geschichte fokussieren: Wenn wir verliebt sind, mitunter unglücklich, glauben wir, dass es auf der ganzen weiten Welt niemanden geben kann, der uns so viel bedeuten wird wie diese Person. Dieser Jemand scheint der einzige zu sein, der uns wirklich zum Lachen und zum Weinen bringt, der uns niemals langweilen wird, mit dem wir immer glücklich sein werden und der all unsere Bedürfnisse erfüllt. Und gerade wenn dieser Jemand uns verschmäht, glauben wir, nie wieder so richtig glücklich werden zu können, weil wie nie wieder jemanden so lieben werden. Der Gedanke, dass jeder andere nur 2. Wahl wäre, drängt sich auf. Das dachte Romeo im Bezug auf Rosalind ja auch.

Doch dann, vielleicht ganz plötzlich und unerwartet, oder allmählich und zögernd, tritt ein anderer Mensch in unser Leben, der diese ganzen Gefühle auch auslöst, und gefühlt noch viel stärker. In dem Moment scheint es so, als hätten wir vorher nie geliebt. Als wären nur diese Gefühle jetzt die wirklich wahre Liebe. Und das kann doch allen unglücklich Verliebten Hoffnung sein. (Auch wenn es die Dauerhaftigkeit von Liebesgefühlen auch in Frage stellen kann) Es treten Menschen in unser Leben, die uns andere vergessen lassen, die noch viel toller und perfekter für uns scheinen, die nicht unsere 2. wahl sind, weil wir den anderen nicht haben können. Das finde ich irgendwie sher beruhigend. Es wäre nur gut, wenn einer dieser neuen Menschen diese Gefühle erwiderte und damit auch nicht allzu lange wartete ;).

Montag, 14. September 2009

There is nothing either good or bad

There is nothing either good or bad, but thinking makes it so. (Hamlet, II, 2)

Dieser Ausspruch aus Hamlet, ein Stück, das ich aufgrund seiner ellenlangen mitleiderregenden Monologe nicht sehr mag kann philosophisch betrachtet werden: Gibt es gut und böse, oder legen wir Dingen nur diese Wertungen bei? Ich will diesen Satz jedoch nicht philosophisch auseinander nehmen und analysieren, das ist mit zu anstrengend ;). Es gibt jedoch Denker, die sagen, dass nichts von Natur aus irgendwie gut oder böse ist, sondern alles relativ ist und seine zwei Seiten der Medaille hat. Dialektik ist hier das Stichwort.

Den Ausspruch kann man auch auf einer viel alltäglicheren und weniger abstrakten Ebene anwenden. Und zwar, wenn man, wie ich es jetzt tue, „thinking“ ganz weit fasst und es mit fühlen und empfinden gleichsetzt. Die ein und dieselbe Sache erscheint uns an manchen Tagen als mittlere Katastrophe, während sie an einem anderen Tag nur ein müdes Lächeln erzeugt. Mir geht das oft so mit Unterrichtsvorbereitungen: Manchmal fällt mir zu einigen Themengebieten gar nichts ein und ich denke dann, dass ich diese Thematik nie anständig unterrichten werde, und ich sowieso gar nicht so ein guter Lehrer bin, wie ich und andere immer denken. Dann will ich mir ’nen Kaffee machen, muss eine neue Tüte aufmachen, wobei ich immer, ja immer, das Kaffeepulver kreisförmig um die Dose verstreue. Schon fluchend stoße ich mich dann an der offen gelassenen Ofentür, wobei ich Idealfall noch ein Wasserglas umwerfe. Ja, dann ist die ganze Welt schlecht, meine Zukunft grau, allein bleibe ich eh’ mein Leben lang und ich bekomme nur 'ne Stelle irgendwo in einem Kaff neben Haßloch (ja, das gibt`s wirklich, da ist ein Vergnügungspark, immerhin) im Süden.

Ja, solche Tage gibt’s, an dem mein Denken alles negativ bewertet. Die Vögel nerven, die strahlende Sonne verhöhnt mich und auf der Straße werde ich ständig angerempelt und böse angeguckt. Aber glücklicherweise ist ja nicht jeder Tag so. An anderen Tagen wacht man auf, ist fit, freut sich über Sonne und Vögel, es gelingt alles und nette Leute kommen spontan zum Kaffee trinken vorbei und füllen den Kaffee ohne zu krümeln in die Dose. Ja, heute ist so ein Tag, wie schön.

Was haben diese Widrigkeiten des Alltags nun mit den großen und ganzen, dem Streben nach Glück zu tun? Glück ist etwas Momentanes und Unbeständiges, das man einfach mal so fühlen und erleben muss. Und an Tagen wie heute, ist die Wahrscheinlichkeit, einfach mal glücklich zu sein doch recht hoch. An Tagen wie oben beschrieben, wenn unser Denken alles schlecht macht, hat man wohl kaum eine Chance. Aber man kann sich vornehmen, und ich tue das, sich nicht von den Mini-unglücken an Scheißtagen ärgern zu lassen. Manchmal ist es eben so, und man will nicht aggressiv oder verbittert werden und irgendwann Jugendliche, die auf dem Bürgersteig fahren schimpfend vom Rad holen. Stoische Gemütsruhe ist hier das Stichwort und man weiß ja, dass das alles am nächsten Tag schon wieder ganz anderes von uns bewertet wird. Es liegt an einem selbst glücklich zu sein und wenn man sich über jede Kleinigkeit ärgert (Beachte es heißt sich (selsbt) ärgern) und/oder aufregt gibt man keinem Tag die Möglichkeit ein guter zu werden. Ich hoffe, ich denke an meinem nächsten schlechten Tag an meine Worte.

Dienstag, 25. August 2009

All's well that ends well (?)

“Ende gut, alles gut” – Das ist die sprichwörtliche Übersetzung von Shakespeares Stück “All’s well that ends well”. Die Bedeutung des deutschen Sprichwortes entspricht hierbei jedoch nicht ganz der des Englischen. Während das deutsche „Ende gut, alles gut“ doch eher die Erleichterung ausdrückt, dass Dinge sich doch noch zum Guten gewendet haben, hat das englische „All’s well that ends well“ eine etwas andere Gewichtung. Es wird natürlich auch ausgedrückt, dass man über ein glückliches Ende froh ist; es steckt jedoch auch die Idee dahinter, dass eben alles gut ist, was gut endet. Das „der Zweck heiligt die Mittel“-Prinzip ist also präsent.

Das Stück wurde als Komödie veröffentlicht, doch einige Kritiker sehen es auch als Tragödie. Wie schon zuvor erwähnt haben Shakespeares Komödien immer nur ein scheinbares „Happy End“. Hier ist dieses „Happy End“ ganz offensichtlich kein glückliches Ende. Die Geschichte ist schnell erzählt: Helena, eine bürgerliche, ist schon seit Längerem in Bertram verliebt, ein Adliger. Dieser liebt sie natürlich nicht; das ginge ja auch wegen der Ständeverhältnisse schon mal schlecht. Helenas Vater war ein berühmter Arzt, ist aber schon tot. Der König von Frankreich ist schwerkrank und Helena bringt diesem die heilende Medizin ihres Vaters. Als Gegenleistung wurde vereinbart, dass sich Helena einen Mann aussuchen darf, mit dem der König sie dann vermählt. Natürlich erwählt sie Bertram. Der will nicht, er schimpft, und heult und fleht und alles ist total erniedrigend für die arme Helena, so dass sie selbst auch keine Lust mehr hat. Der König besteht aber darauf und vermählt die beiden. Bertram findet, dass so fürchterlich, dass er vor dem Vollzug der Ehe, der Hochzeitsnacht, in den Krieg flieht, um lieber auf dem Schlachtfeld zu sterben, als Helena zu ehelichen. Diese gibt nun wiederum nicht auf, und folgt ihm. Sie will ihn nun um jeden Preis ins Bett kriegen, um die Ehe zu besiegeln. Dazu denkt sie sich einen perfiden Plan aus: Eine Freundin von ihr, die Diana, auf die der Bertram schon relativ scharf ist, hilft und umwirbt Bertram. Sie lockt ihn in ihr Schlafgemach und sagt, dass sie ihn dort mit einem Tuch verhüllt erwarten wird. Natürlich ist Helena unter dem Tuch und zack, hat Bertram mit seiner Frau geschlafen. Am Ende kommt alles raus, und da Bertram ein Mann von Ehre ist und zu seinen Worten und auch Taten steht, bleibt ihm nichts anders übrig, als nun Helena als seine Frau zu ehren und zu „love her dearly, ever, ever dearly". (V.iii.354).

Tja, wahrscheinlich ist es wirklich eher eine Tragödie, die die Zwänge der Zeit damals beklagt. Herrscher beschließen Ehen, Ehre steht vor persönlichem Glück, Bertram ist unglücklich und auch Helena kann ja nicht wirklich zufrieden sein. Ich muss sagen, dass mir das Stück nicht so gefallen hat, auch beim Lesen nicht. Die Handlungen der Charaktere sind schlecht nachvollziehbar, die Nebenfiguren haben nicht so viel Charme wie in anderen Komödien und es werden auch wenig andere Aspekte angesprochen und beleuchtet. Außer der Aussage, dass ein gutes Ende, nicht wirklich alles andere gut macht und eben oft nicht das ist, was es vorgibt zu sein, hat mir das Stück nicht sehr viel mitgegeben. Ich habe es gelesen, da ich es nächsten Freitag als Stück sehen werde. Da bin ich sehr gespannt drauf. Vielleicht eröffnet mir die Bühnenperformance Sichtweisen, die mir beim reinen Lesen verborgen blieben und ich bin natürlich gespannt, wie das Stück umgesetzt wird.

Montag, 17. August 2009

If music be the foof of love, play on

If music be the food of love, play on,
Give me excess of it; that surfeiting,
The appetite may sicken, and so die. (Twelfth Night I,1)

Wenn Musik das Futter der Liebe ist, spielt weiter, gebt mir ein Übermaß von ihr, so dass der Appetit gesättigt schwächer wird und so stirbt. Der Hunger nach Liebe scheint so unersättlich wie die ständige Lust, der ständige Hunger nach Musik. Kann es so viel Liebe und Musik geben, dass man irgendwann genug davon haben kann und der Appetit versiegt? Bei Musik kann ich wohl mit ziemlicher Sicherheit „Nein“ sagen. Musik ist so toll und eine tolle Erfindung.
Musik gehört zu den Dingen, die wohl einfach immer in meinem Leben sein werden. Was wären wir ohne Musik. Ja, das klingt abgedroschen und jeder hat das wohl schon mal festgestellt, aber man muss ja auch positive und bekannte Dinge immer mal wieder erwähnen, damit man sie nicht vergisst. Und es gibt immer wieder Momente, in denen die Wichtigkeit und Großartigkeit von Musik richtig deutlich wird.

Letzten Freitag habe ich bei einer alten Schulfreundin übernachtet (also alt im Sinne von „Ich kenne sie schon ewig", seit der Grundschule nämlich). Wir haben erst gegrillt, dann einen sehr guten Film gesehen (und Hot Fuzz, in dem auch ein Schwan eine tragende Rolle spielt), um am Ende in den bequemsten Balkonstühlen der Welt, eingehüllt in Decken in den Sternenhimmel zu starren und zu quatschen. Dabei lief Musik, nicht großartig ausgewählt, sondern zufällig von einer voll-gepackten MP3-Sammlung abgespielt. Besonders waren natürlich die Lieder (Ich habe mit Absicht Lieder geschrieben, weil es so heißt, aber es niemand mehr sagt, weil es irgendwie uncool und nach Kinderlied klingt, aber „Song“ oder „Track“ werde ich hier definitiv nicht schreiben), also besonders waren die Lieder, die uns an unsere damalige Zeit als pubertierende 14-Jährige erinnerten. Und damit haben wir schon mal eine hervorragende Eigenschaft von Musik. Es gibt Lieder, die uns für immer an einen Ort, in einer bestimmte Zeit versetzen werden. Sie ist ein akustisches Tagebuch.

Dann gibt es aber auch einfach Lieder, die zu jeder Zeit toll sind, weil sie es einfach sind. Ich will jetzt hier gar keine Auswahl der besten Lieder, die es gibt, treffen, sondern einfach mal feststellen, wie toll es ist, dass es Melodien für die Ewigkeit gibt, Tonfolgen, die unsterblich sind, immer gut und nie out. Mir fällt jetzt gerad irgendwie die Melodie von „Das Boot“ ein. 10 Töne, die einfach unsterblich sind und jeder kennt - schön.

Musik ist aber nicht nur ein akustisches Tagebuch, sondern auch Lebenshilfe. Das weiß auch jeder. Dank des technologischen Fortschrittes und des Grenzenlosigkeit des Internets kann man jederzeit überall den passenden Soundtrack (ups, jetzt doch englisch) für seine Stimmung oder Lebenslange finden. Oder man hört ein Lied und denkt „bäm – das passt ja gerad wie Arsch auf Auge“ und schon ist die Gefühlslage verstärkt oder man fühlt sich verstanden und weniger allein.

Also, Musik ist toll und eigentlich viel zu toll, um sie nur so nebenbei zu hören, aber selbst dazu ist sie toll. Aber einen Wunsch habe ich ja noch: Wann ist es endlich soweit, dass ich meine Musik immer mit habe und jederzeit mithilfe meiner Gedanken abspielen kann? Also, ich will zum Beispiel einen schönen Sonnuntergang angucken und dann an passender Stelle ein Streichquartett hören, oder ich will mich mit jemandem streiten und meine Worte mit der passenden Musik untermalen. Ja, das wäre doch toll. Aber das ist wohl nur Zukunftsmusik, hahahaha.

Höre übrigens gerad eines meiner Lieblingsalben „Ray of Light“, die CD springt leider schon an manchen Stellen.

Dienstag, 11. August 2009

Your nose says, no, you are not; for it stands too right.

Your nose says, no, you are not; for it stands too right. (Love’s Labour’s Lost, V,2)


Dies antwortet der Edelmann Boyet dem Gelehrten Sir Nathaniel, der im Rahmen einer Festivität in die Rolle von Alexander der Große schlüpft, um die Adeligen zu unterhalten. Die Clowns und die lächerlich dargestellten Gelehrten im Stück „Verlorene Liebesmüh’“ mimen zur Erheiterung der Adeligen Helden der Antike wie Herkules, Alexander der Große und Hektor nach. Die Adeligen mokieren sich über die Schauspieler, da ihre Kostüme, ihre Art zu reden oder ihr Aussehen unecht und unauthentisch sind – ein Meisterstück der Selbstironie von Shakespeare.

Es liegt in der Natur des Theaters, dass die Illusionen, die es erzeugen will, nicht vollkommen real und wirklich wirken können und dies ja auch nicht sollen. Dinge wie Stürme, große Schlachten und auch Szenenwechsel können eben nur angedeutet werden. Und natürlich wusste auch Shakespeare, dass Schlachtszenen mit Blut, wie in den Historien-Dramen oder Unwetter wie in „The Tempest“ nur vereinfacht dargestellt werden können. Auch war klar, dass gerade die weiblichen Rollen nicht wirklich echt wirken konnten, da sie ja damals von jungen Männern übernommen wurden. Umso witziger ist es, dass Shakespeare diesen Umstand durch das so genannte „Stück im Stück“ auf der Bühne thematisiert. Die Adeligen machen sich darüber lustig, wie stümperhaft, die Kostümierung der antiken Helden ausfällt, dabei sind sie selbst nur Schauspieler in eventuell schlecht gemachten Kostümen. Bei diesem Stück kommt noch der Umstand dazu, dass die Adeligen Herren sich auch verkleiden, um die Damen zu verwirren, und dieses sicherlich auch nicht besser machen als die bürgerlichem Schauspieler.

„Love’s Labour’s Lost“ ist nur eines von Shakespeares Stücken, in dem diese Selbstironie vollzogen wird. Auch in „ A Midsummer Night’s Dream“ macht sich Shakespeare über die begrenzten Möglichkeiten des Theaters lustig. Auch hier führen Vertreter des gemeinen Volkes für den Adel ein Stück auf, über welches sich die Blaublütigen nur lächerlich machen. Hier wird die schlechte Kostümierung noch deutlicher thematisiert als in „Love’s Labour’s Lost“. So gibt es Zitate wie: „That I, one Stout by name present a wall“ oder „This latern does the horned moon present“ (A Midummer Night’s Dream, V, 1). Die Verkleidungen sind so schlecht, dass sie kommentiert werden müssen. Ich habe das Stück leider noch nicht gesehen, aber ich kann mir sehr gut vorstellen, dass dieses Stück im Stück der komödiantische Höhepunkt ist und auch zu Shakespeares Zeiten für sehr viel Spaß im Theater sorgte. Dazu kommt die Meta-ebene, auf die das Publikum gehoben wird, da es ja auch nur ein Stück sieht mit Schauspielern in Kostümen. Ich mag diese Selbstironie und auch die dramatische Raffinesse dieser Stücke im Stück schon sehr.

Selbstironie ist sowieso gut. Man kann soviel schlecht oder verkehrt machen; wenn man es mit einem Funken Selbstironie tut, ist immer alles nur halb so schlimm. Ich liebe Filme und Musiker, die selbstironisch sind, wie beispielsweise „Kill Bill“ oder „Die Ärzte“. Aber ich glaube, es gibt wirklich viele Menschen, die Ironie und auch gerade Selbstironie von anderen nicht verstehen, weil sie es selbst auch gar nicht sind. Selbstironisch kann man nur sein, wenn man seine eigenen Schwächen kennt, weil man sich über diese ja lustig macht, also braucht man zur Selbstironie die Fähigkeit zur Selbstkritik und auch zur Ehrlichkeit. Menschen, die schwer ihre Schwächen erkennen und auch zugeben, sind auch wenig selbstironisch und meiner Meinung nach weniger sympathisch und humorvoll. Da ich der Nabel der Welt bin, habe ich auch das Recht diesbezüglich über andere zu urteilen.

Montag, 3. August 2009

Love' Labour's Lost (Teil A Das Stück)

The mind shall banquet, though the body pine:
Fat paunches have lean pates, and dainty bits
Make rich the ribs, but bankrupt quite the wits. (I. 1. 27-29)

Da ich glücklicher Mensch Sommerferien habe und mir für diese vorgenommen hatte, ganz viel zu lesen, konnte ich heute ein Ich-habe-das-Stück-gelesen-Häkchen neben das Stück "Love’s Labour’s Lost" – "Verlorene Liebesmüh’" machen. Shakespeare schrieb das Stück vermutlich 1594, womit es zu seinen frühen Komödien gehört. Das Hauptthema ist die Liebe. König Ferdinand von Navarra, eine spanische Kolonie, und seine drei Gefährten nehmen sich vor, drei Jahre lang keine Frau zu sehen, um sich der Bildung und den Büchern vollkommen hingeben zu können. So lautet das oben genannte Zitat übersetzt:

Der Geist soll ein Bankett sein, während der Körper sich verzerrt
Fette Bäuche haben verkümmerte Köpfe, und Leckerbissen
Machen die Rippen reich, aber ruinieren den Verstand.

Dieser verwegene Plan scheitert kläglich, als die französische Prinzessin zwecks diplomatischer Verhandlung mit ihrem Gefolge zu Besuch kommt. Natürlich verlieben sich die Männer in die Frauen. Sie schreiben heimlich Liebesbriefe, aber können ihre Liebe nicht verbergen. Sie werben um die Frauen, erst verkleidet als Russen (fand ich irgendwie lustig und ich habe noch nicht herausgefunden, warum es ausgerechnet Russen sein mussten) und später als sie selbst. Die Frauen wussten natürlich schon vorher von diesem ausgeklügelten Plan und schlugen zurück, indem sie Rollen tauschen. Das machten sie ziemlich gut, weil die Männer tatsächlich nicht merkten, dass sie jeweils die falsche Frau umwarben. Was dies über die Aufrichtigkeit und Ernsthaftigkeit ihrer Liebe aussagt liegt auf der Hand.

"Love’s Labour’s Lost" enthält also mit dem Thema der Liebe, den witzigen und geistreichen Nebenfiguren, auf die ich hier nicht weiter eingehen will, und dem Verkleiden, für Shakespeares Komödien typische Elemente. Das Ende ist für Komödien jedoch sehr untypisch. Es handelt sich nämlich nicht wirklich um ein Happy End, was in den meisten Komödien, wenn auch nur augenscheinlich, immer vorhanden ist. Die Frauen vertrösten die Männer auf ein Jahr. Wenn ihre Liebt über ein Jahr andauert, dürfen sie sich gern noch mal melden, und dann sieht man mal weiter. Die aufgebrachte Liebesmüh der Männer – das Verkleiden, das Schreiben von seitenlangen Liebessonetten – bleibt vergebens. Das liegt vor allem daran, dass die Männer ihre Liebesbekundungen so unauthentisch und übertrieben vollziehen und ehrliche Aufrichtigkeit missen lassen. So sagt die französische Prinzessin: “and therefore met your loves/ In their own fashion, like a merriment. (V 2. 793-794) – “Daher entgegneten wir eurer Liebe auf ihre eigene Art und Weise, wie eine Belustigung“.

Da Shakespeare ja nicht irgendein Schnulzen-Dichter war, wirft dieses Stück neben der kritischen Frage nach der Natur der wahren Liebe noch andere Fragen auf. Ein anderes Thema ist Bildung. Eine Frage ist, ob man in körperlicher Askese leben muss, um wirklichen Zugang zu geistigen Inhalten zu bekommen. Am Anfang sind der König und sein Gefolge der Überzeugung. Es ist relativ witzig, wie sie versuchen, nachdem rausgekommen ist, dass sie nun doch alle verliebt sind, ihre Liebe recht zu fertigen: „For when would you, my lord, or you, or you/ Have found the ground of study’s excellence/ Without the beauty of a woman’s face“ (IV. 3). Außerdem werden zwei Gelehrte karikiert, die ständig versuchen auf Latein kluge Sachen zu sagen und antike Helden zu zitieren. Diesen Aspekt habe ich nicht weiter analysiert, aber ich kann mir gut vorstellen, dass sich Shakespeare auf diese Weise etwas über das weltfremde Gelehrtsein-Tun lustig macht. Auch die großen Helden der Antike werden nicht wirklich ernst genommen.

Shakespeare macht sich außerdem über die spanische Armada lustig, die von eine kleineren englischen Flotte geschlagen wurde, indem die Nebenfigur Armado, ein spanischer Edelmann nicht in der Lage ist, ein einfaches Mädchen aus dem Volke für sich zu gewinnen. Aber dies nur nebenbei. Denn dieser Blog soll ja nicht nur Shakespeares Werk beschreiben, sondern auch zeigen, welche Bedeutung sein Werk für mich und die Welt heute hat.

Love' Labour's Lost (Teil B Das Stück und ich)

Was hat dieses Stück also mit meinem Leben zu zun?
Es gibt natürlich mehrer Ansatzpunkte, wie beispielsweise die Rolle von Bildung und altem Wissen für unser Zurechtkommen in der Welt oder ob Gefühle und körperliche Freuden uns wirklich daran hindern, unseren Geist zu entfalten (glaub ich nicht), aber am offensichtlichsten ist doch die Frage nach der (wahren) Liebe. Shakespeare kritisiert, wie schnell die Männer sich verlieben. Die Frauen, die die Liebe dem Test der Zeit unterstellen wollen, stehen als klüger und weiser da. Wie flüchtig ist also die Liebe? Verlieben wir uns zu schnell und somit nicht tief genug? Muss Liebe erst in Ruhe wachsen und eine gewisse Zeit andauern um „wahr“ zu sein?

Aus meinem Umfeld kenne ich beide Seiten. Menschen verlieben sich schnell, von einen Tag auf den anderen und wenn sie auf Gegenseitigkeit treffen, bilden sich ganz schnell Paare und als Außenstehender fragt man sich oft, wie das so schnell gehen kann, ob das wirklich Liebe oder nicht doch nur Angst vor dem Alleinsein ist. Manchmal behält man „recht“ und das Paar ist ruck-zuck wieder getrennt. Aber man darf doch nicht so vermessen sein und annehmen, dass nicht doch wirkliche Liebe im Spiel war. Wo steht denn geschrieben, dass Liebe lang anhalten muss, um so genannt werden zu dürfen?

Andererseits gibt es auch viele Menschen, die sich nicht trauen, sich zu verlieben oder der Liebe nicht trauen. Zumindest scheint es so, denn sie verlieben sich nicht schnell und warten lange ab. Sie wollen sicher gehen, dass die Gefühle nicht nur kurzzeitig sind und handeln im Grunde genommen wie die Damen aus dem Stück. Laut Shakespeare scheint das wohl der klügere Weg zu sein. Also ist es wohl doch so, dass man nur von „wahre“ Liebe sprechen kann, wenn sie alles überdauert und übersteht. Und auch wenn das nirgends geschrieben steht, ist das eine Definition von Liebe, mit der wir aufgewaschen sind und die in vielen Medien von Disneyfilm bis hin zu Romeo und Julia suggeriert wird. Und wenn ich ehrlich bin, soll meine Liebe auch lang anhalten, wenn nicht sogar ewig, wenn man den einen usw. findet.

Während des Schreibens bin ich richtig ins Überlegen gekommen, ob Liebe wirklich ein langfristiges Gefühl ist und sich genau dadurch vom Verliebtsein unterscheidet. Oder ob man eben auch auf Knall und Fall lieben kann, ohne dass die Liebe sich entfalten muss. Dafür spricht wohl, dass man als Liebender den ganzen Menschen umfassend, in allen Umständen und so weiter liebt und somit die Zeit erst zeigen muss, ob man den Geliebten auch in einer Notlage, schlecht drauf und morgens nach dem Aufstehen liebt. Trotzdem finde ich den Gedanken, dass Liebe eben einfach ist und nicht erst lang getestet werden muss, auch ansprechend und irgendwie schön. Liebe ist ein Gefühl und Gefühle sind im Augenblick, jetzt da. Und wenn ich jetzt liebe, dann liebe ich jetzt. Oder ist es ein Gefühl, dass man sich einredet und einbildet? Vielleicht kann man auch erst rückblickend sagen, ob man geliebt hat oder nicht. So wie alte Frauen in Filmen sagen: „Ich habe nur einmal richtig geliebt“. Aber das war denn auch meistens kurz. Hm, ich weiß es nicht. Ich muss weiter darüber nachdenken und Shakespeare danken, dass er mich auf diese Frage gebracht hat ;).

Übrigens gibt es Hinweise darauf, dass Shakespeare ein Stück mit dem Namen "Love’ Labour’s Won" geschrieben hat, sozusagen ein Fortsetzung, in der sich dann doch alle kriegen. Diese wurde jedoch nie gefunden; auch interessant irgendwie…

Montag, 20. Juli 2009

Now is the winter of discontent

Made glorious summer by this son of York (Richard III, I, 1)

Das sind die ersten beiden Zeilen auch Richard III, eines meiner Lieblingsstücke. Es beschreibt den Aufstieg und den Fall von Richard III. Das Ende seiner Herrschaft läutet auch das Ende der englischen Rosenkriege ein. Für Shakespeare waren die Rosenkriege und deren Beendigung durch das Tudor Geschlecht eine wichtiges Thema.

Wer Geschichte doof und langweilig findet, kann den nächsten Absatz überlesen. Aber ich finde englische Geschichte und Shakespeares Reflexion so interessant, dass es mal raus muss Die Rosenkriege beschreiben die Epoche zwischen 1399, der Entmachtung von Richard II, und 1485, der Entmachtung von Richard dem III. In den Jahren dazwischen regierten die Henrys IV-VI, aus dem Hause Lancaster sowie Edward IV, aus dem Hause York. Henry IV entriss Richard II die Macht und sorgte so dafür, dass die rote Rose des Lancaster-Hauses lange erblühte. Da Richard II der Thron jedoch auf nicht legitime Weise entrissen wurde, waren die Machtverhältnisse immer unsicher und so konnte Edward IV auch den jungen Henry VI vom Thron stoßen, ihn ermorden lassen und die weiße Rose des Hauses York herrschen lassen. Richard III kam auch mit Gewalt und Mord auf den Thron. Henry VII, der Richard III im Kampf besiegte, einte durch eine Heirat beide Häuser und beendete so den Krieg zwischen den beiden Geschlechtern.

Soweit die Geschichte. Interessant ist, dass Shakespeare fast allen diesen Herrschern eine so genannte Historie widmet. Neben Tragödien und Komödien sind die Historien die dritte Klasse von Dramen, die Shakespeare vor allem in seinen frühen Jahren schrieb. Interessant ist auch, dass er dabei definitiv nicht subjektiv ist. Er lebte unter der Herrschaft von Henry VIII und Elizabeth I. dem Sohn und der Enkelin von Henry VII. Seine Historien rechtfertigen die Herrschaft von Henry VII, dem ersten Tudorkönig. Zu einem wird Richard III eben als ganz fürchterlicher, schrecklicher und tyrannischer Herrscher dargestellt. Zum anderen werden die Henrys, direkte Vorfahren von Henry VII, vor Richard III in einem sehr glorifizierenden Licht gezeigt. Interessant ist auch, wie Richard II, der ja von einem Henry entmachtet wurde, von Shakespeare gezeichnet wird: schwach, kindlich und unfähig. Ich weiß leider nicht genau, ob Shakespeare diese Tudor-Propaganda fahren musste, schließlich wurden seine Stücke schon damals ständig gezeigt, oder ob er die Geschichte so wiedergab, wie er sie empfand.

Richard III ist also der Teufel, der Böse und dabei total faszinierend. Als ich eben noch mal einige Passagen des Stückes las, stieß ich auf folgende Zeilen, die eine Frage ansprechen, die mich immer wieder beschäftigt:

Since I cannot prove a lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined to prove a villain. (Richard III, I, 1)

In diesen drei Zeilen begründet Richard, warum er so bösartig ist und weiht dann im Folgenden die Zuschauer in seine evil plans ein, was dazu führt, dass man sich den anderen Figuren gegenüber überlegen fühlt und so’ne Art Verschwörung gemeinsam mit Richard verspürt. Aber zurück zum Zitat. Richard ist böse, weil er nicht anders kann. Er ist „dertermined“, dazu bestimmt, weil er nicht dazu gemacht ist, ein Liebhaber zu sein. In den Zeilen davor beschreibt er die friedlichen Zeiten, die gerade vorherrschen. In diesen muss man schön und galant sein, um vor allem das andere Geschlecht zu beeindrucken. Richard hat einen Buckel und ist vollkommen unattraktiv, er hat da also keine Chance. (Dass er als er König ist, doch Anne becircen kann, ist eine andere Geschichte). Er weiß also in Zeiten des Krieges nichts mit sich anzufangen und kann also praktisch gar nicht anders als der Bösewicht zu sein.

Dass dies wahrscheinlich auch nur eine Ausrede ist, um seine Machtsucht und seine Boshaftigkeit vor dem Publikum zu rechtfertigen, sei mal dahingestellt. Interessanter finde ich den Gedanken der Determination. Gibt es Menschen, die zum Böse-sein determiniert sind? Wenn ich böse Menschen sehe, frage ich mich oft, wie die wohl als Kinder ausgesehen haben. Waren sie schon immer böse? Schlummert es in jedem von uns? (Ist Richard III deswegen so faszinierend?) Ist das Böse nur eine gesellschaftliche Krankheit? Gibt es überhaupt böse Menschen oder nur böse Taten? War Hitler böse? Diese Vielzahl an Fragen zeigt erneut wie viel Potential in drei Zeilen von Shakespeare steckt.

Ich weiß nicht, ob Menschen böse sind oder es erst werden. Ich muss in diesen Zusammenhang immer an eine Szene aus „Der Pianist“ denken. Soldaten bekommen den Befehl, das Ghetto zu kontrollieren und stürmen in alle Häuser und fordern alle Anwesenden auf, sich aufzustellen. In einem Haus sitzt ein Rollstuhlfahrer, der nicht aufstehen kann. Dieser wird vom Balkon geschubst. Warum? Dafür gab es doch auch aus befehls-technischen Gründen keinen Anlass. Das war unnötige Grausamkeit, von der man im Krieg immer wieder hört. Aber ich will nicht zu weit abschweifen. Dass Menschen grausam und böse sein können, ist nun mal so. In welchem Maße es eine böse Natur gibt und wie viel durch Sozialisation und Erziehung erfolgt, weiß man wohl nicht. Aber ich will’s gern wissen. Weil, wenn Menschen wie Richard wirklich dazu bestimmt sind, böse zu sein, kann man ja auch alles Erziehen und Weltverbessern sein lassen. Wäre schon doof. Aber das Böse ganz abschaffen kann man wohl auch nicht. Dann hätte das Gute ja keine Chance, das hat zumindest mal ne sehr gute Freundin von mir gesagt. Ich glaube ich muss sie noch mal fragen…

Montag, 13. Juli 2009

Time is like a fashionable host

Time is like a fashionable host,
That slightly shakes his parting guest by the hand,
And with his arms outstretched, as he would fly,
Grasps in the comer: the welcome ever smiles,
And farewell goes out sighing.

Troilus and Cressida, act 3, sc. 3, l. 165-9

Dieses Zitat stammt aus einem eher weniger bekannten Stück, das ich in Cardiff auf der Bühne sehen durfte. Es geht um Liebe und Krieg, mit antiken Motiven. Mit diesen Worten wird Achilles daran erinnert, dass die Zeit seine großen Taten verblassen lassen wird.

Die Zeit (im englischen übrigens männlich, wie interessant) wird hier als Gastgeber personifiziert, der die Hand von sich verabschiedenden Gästen nur leicht schüttelt und mit ausgestreckten Armen viel lieber Neuankömmlinge begrüßt. Das Willkommen ist immer schön, während der Abschied immer mit einem Seufzer vollzogen wird. Es geht also darum, dass wir uns im Laufe der Zeit immer schweren Herzens von Menschen verabschieden werden müssen.

In der letzten Woche war ich auf meiner ersten Klassenfahrt mit einer ganz hervorragenden 9. Klasse. Die Schüler haben ganz viel selbst organisiert, ihre Freiheiten nicht maßlos ausgenutzt und waren zuverlässig. Ich denke, dass war die beste 1. Klassenfahrt als Lehrerin, die ich hätte haben können. Was mich jedoch am meisten beeindruckt hat, war das Verhältnis der Schüler untereinander. Es herrschte ein ganz starker Zusammenhalt. Alle waren für einander da und alle waren stolz, Teil dieses Ganzen zu sein.

Es gab am letzten Abend beispielsweise eine 2-stündige Abschlussdisko. Es wurde verschiedene Musik gespielt, die jedoch immer nur einen Teil der Schülerschaft, die sehr heterogen ist, ansprach. Trotzdem tanzten die so genannten Tyffis zu Rammstein und die selbsternannten Metaller zu Beyonce. Es war so schön anzusehen. ALLE haben getanzt, und wer sich setzen wollte, wurde sogleich wieder auf die Tanzfläche gezogen. Unglaublich, wie 23 Schüler 2 Stunden lang total gute Stimmung verbreiteten, und das ohne eine Schluck Alkohol. Da können sich einige Partygänger unseres Alters aber einiges abschneiden.

Aber nun zurück zum Zitat. Ein Mädchen aus dieser Klasse schafft es leider nicht in die 10. und muss nun auf eine andere Schule. Sie ist sehr beliebt und als der DJ als Rausschmeißer irgendein ganz schnulziges Abschiedslied spielte, fingen alle kollektiv an zu weinen. Es war herzzerreißend. Besonders ein Mädchen war sehr betroffen und kaum zu beruhigen, was auch daran lag, dass sie sich in letzter Zeit noch von 2 anderen ihrer Freunde verabschieden musste. Ihr wurde der oben beschriebene Umstand, dass unser Leben von Abschieden geprägt ist, so richtig bewusst. Sie weinte darüber, dass alle irgendwann gehen müssen und alle Freunde nach der Schulzeit weg sein werden.

Aus meinem Pool von Lebenserfahrung ;) schöpfend, versuchte ich sie mit der Aussicht auf die vielen tollen Menschen, die sie noch kennen lernen wird, aufzubauen. Und irgendwer sagte mal, dass man nie über vergangene schöne Momente traurig sein soll, sondern sich lieber freuen soll, sie erlebt haben zu dürfen. Aber das half ihr in dem Moment nicht viel. Die Zeit, unser Leben, zwingt uns immer wieder dazu, uns von lieben Menschen, die ein wichtiger Teil von uns und unserem Leben geworden sind, zu verabschieden. Erst lässt sie zu, dass wir uns begrüßen und kennen lernen, um uns dann wieder voneinander zu trennen.

Sicher wird das Mädchen noch viele tolle Leute treffen und kennen lernen dürfen, aber mit jedem abgeschlossenen Lebensabschnitt gehen Menschen. Natürlich nehmen sich dann immer alle vor, sich nicht zu verlieren, aber das klappt nicht immer. Die Zeit und Lebensumstände trennen Menschen voneinander, nicht nur räumlich. Aber so traurig das auch klingt, ist es doch etwas Positives. Abschied tut weh und kann Freundschaften entzweien, die einem immer fehlen werden. Aber es gibt so viele tolle Menschen, Ideen und Ansichten zu entdecken, die uns ohne den Abschied von Altem vielleicht verborgen blieben. Trotzdem gibt es in meinem Leben Menschen, von denen ich mich nie verabschieden möchte. Menschen, die immer da sein sollen. Die Zeit wird zeigen oder auch entscheiden, ob das möglich sein wird und ob diese Menschen auch in ferner Zukunft zu den Konstanten in meinem Leben gehören, die ich nie missen will. Es ist schon ein merkwürdiger Gedanke, dass mir in einigen Jahren Menschen, die mir jetzt ganz wichtig sind, es möglicherweise nicht mehr sind.

Mittwoch, 1. Juli 2009

Thy end is truth`s and beauty's doom and date

Dieser eher kitschige letzte Satz von Sonett 14, der mir fast zu kitschig ist, kann gut herhalten, um die Tragödie, die ich eben erleben musste, zu beschreiben. Diese Tragödie deutete sich lange an, den ganzen Tag über, aber erst jetzt, rückblickend, kann ich sie richtig deuten.

Es begann, als ich heute morgen verschlafen in die Küche trottete, um dort, wie jeden Morgen den Knopf meiner Kaffeemaschine auf „An“ zu drücken (Ich mache immer abends schon alles fertig), und sehen musste, wie der Toaster daneben und auch der Wasserkocher in einer vollkommen ungewohnten Position arrangiert waren. Krümel aus dem Toaster waren überall verteilt und ich fragte mich, was in meine Mitbewohnerin gefahren sein musste, um solch ein Chaos zu veranstalten. Da ich mich aber im Bett dreimal umgedreht hatte, hatte ich nicht Zeit, dieser Frage genauer nachzugehen.

Nachmittags nach der Schule, es sah noch alles so aus wie morgens, habe ich alles erstmal abgewischt und wieder dahingeräumt, wo es hingehört. Meine Mitbewohnerin habe ich den ganzen Tag nicht gesehen. Ich war dann unterwegs und kam ca. drei Stunden nach meiner Aufräumaktion wieder nach Hause, den Wunsch verspürend, mir einen Kaffee mit in die Chorprobe zu nehmen. Ich füllte Kaffee in den Filter, Wasser in den Behälter und drückte auf den Knopf – nichts geschah. Panisch testete ich die anderen Geräte, auch Toaster, Wasserkocher und Eierkocher blieben aus. Ich versuchte eine andere Steckdose in der Küche (langsam fand ich alles nicht mehr lustig), auch diese ging nicht. Als dann auch das Küchenlicht sowie der Kühlschrank nicht gingen, schwante mir, dass in der ganzen Küche kein Strom vorhanden war. Ich ging ganz ruhig und locker zum Stromkasten und klickte die Sicherung wieder rein, um danach, stolz ob meiner sachlichen und durchdachten Problemlösestrategien, zur Probe zu fahren.

Ja, ich dachte nun, alles sei gut. An Morgenfrüh denkend, wollte ich mir eben die Kaffeemaschine wieder vorbereiten, wozu ich das Küchenlicht anknipsen wollte, es ging nicht. Noch blieb ich ganz entspannt. Ich wusste ja, was zu tun war. Gut, ich habe mich gewundert warum, die Sicherung wieder raus gesprungen war, aber man steckt ja auch nicht drin. Nachdem ich die Sicherung wieder eingestellt hatte, ging ich also in die Küche. Und da war es – ein leises, aber auch nicht zu überhörendes Knistern. Auch glaubte ich, den Geruch von angekokeltem Plaste zu wahrzunehmen. Schnüffelnd musste ich feststellen, dass da etwas verkokelt war. Nach dem Ausschlussprinzip musste ich feststellen, dass ein Stecker kaputt gegangen war, durchgekokelt, unbrauchbar, für immer verloren, und ja es ist der Stecker meiner Kaffeemaschine!!

Ja, das ist das Ende, das Ende des guten Morgens und des Gut-in-den-tag-kommens überhaupt. Wie fürchterlich!! Und was dazu kommt: Wenn wenigstens die Maschine verkalkt oder eben irgendwie selbst kaputt wäre, aber Nein, der Stecker ist verkokelt, also wirklich, blöder geht’s nicht.

Ich möchte mich entschuldigen, dass ich Shakespeares Liebeserklärung leicht „missbraucht“ habe, aber das musste raus, und diese Kaffeemaschine… sie war schon was Besonderes. (Man muss sich jetzt vorstellen, dass ich in meinem Kopf kitschige Musik höre und gemeinsame Momente von mir und der Kaffeemaschine visualisiere).

Montag, 29. Juni 2009

When my love swears that she is made of truth...

...I believe her though I know she lies.
(The Passionate Pilgrim, 1(Sonnet 138)

Als ich gestern Abend melancholisch im Bett lag und ja fast lustlos mein inzwischen auch mit Kaffee besudeltes Shakespearebuch durchblätterte, stieß ich auf die Sonettreihe „The Passionate Pligrim“, die mir bisher unbekannt war. Dabei handelt es sich um eine Anthologie von Gedichten, die Shakespeare zugeschrieben und unter seinem Namen veröffentlicht wurden. Einige der Gedichte wurden jedoch bei Autoren wie beispielsweise Christopher Marlowe wieder gefunden. Andere Gedichte konnten ob ihrer Herkunft noch nicht definitiv zugeordnet werden. Sicher konnten die Stücke Shakespeare zugeschrieben werden, die sich in anderen seiner Werke wie dem Sonettzyklus oder „Love’s Labour’s Lost“ wieder finden. So verhält es sich auch bei dem Sonett, aus dem die beiden Zeilen stammen.
Das Sonett handelt davon, dass die Liebe uns Jugend vorgaukelt, auch wenn wir schon alt und gebrechlich sind. Es ist eben eine Eigenschaft der Liebe, uns zu beruhigen und zu besänftigen: „O, love’s best habit is a soothing tongue“. Ich bin noch nicht so alt, dass mir die Liebe Jugend schon vorgaukeln muss, aber eine wundervolle Eigenschaft der Liebe, die auf mehr als nur Jugend übertragbar ist, wird in diesem Sonett auf wundervolle Weise beschrieben. So lautet das Abschluss-Couplet, das ich so schön fand, dass ich es mehrmals las und mich jedes Mal freute:

Therefore I’ll lie with love, and love with me,
Since that our faults in love thus smother’d be.

Die Liebe verdeckt und versteckt unsere Fehler, und darum soll man sich auf ihr Lügenspiel einlassen. Ich finde es bemerkenswert, wie viel in diesen beiden kleinen Zeilen steckt: „I’ll lie with love“, wenn man liebt, ist man in der Lage, die Fehler des anderen zu übersehen und sie weg zu lügen, um der Liebe willen ist man bereit, Dinge anders zu sehen. Aber auch eine andere Seite ist vorhanden: „and love with me“, wenn man geliebt wird, kann man von der Lügnerin der Liebe auch profitieren, weil eigene Fehler verdeckt werden. Ein schöner Gedanke und ich finde auch einfach, dass man an den beiden Zeilen sehen kann, wie gut Shakespeare dichtete. Es klingt auch einfach so gut.

Ich weiß nicht ob meine eher positive Interpretation richtig ist. Lügen ist ja eigentlich was Schlechtes. Und auch die Vorspiegelung falscher Tatsachen, blind vor Liebe sein und eventuell schlimme Sachen gar nicht zu sehen, sind ja nicht immer etwas Gutes. Außerdem könnte dahinter auch die Idee stecken, dass man in langen Beziehungen Dinge nicht mehr hinterfragt und Sachen einfach so hinnimmt. Aber als ich gestern die beiden Zeilen las, ging mir mein Herz auf, obwohl ich nicht mal einen konkreten Bezug zu meinem Leben finden konnte. Die Zeilen haben mich einfach berührt und das ist genau der Zweck, den sie erfüllen sollen.

Donnerstag, 25. Juni 2009

The friends thou hast, and their adoption tried

...Grapple them to thy soul with hoops of steel;" (Polonius, Hamlet I, 3.)

Freundschaft ist ein wichtiges Thema für Shakespeare, vor allem die Freundschaft zwischen zwei Männern, aber auch Frauen. Die Freundschaft zwischen Mann und Frau spielt meines Wissens kaum eine Rolle, da es zwischen ihnen nur Liebe gibt. Die gleichgeschlechtliche Freundschaft hat bei Shakespeare einen sehr hohen Stellenwert und steht meist im Kontrast zur Liebe. Oft müssen sich die Figuren zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden, wobei Freundschaft als das Beständigere dargestellt wird.

Ein Beispiel dafür ist in „The two Gentleman of Verona“ zu finden. Valentino und Proteus sind die besten Freunde. Doch Proteus Freundschaft ist nicht so ehrlich wie die Valentinos. So stellt er seine große Liebe Julia über die Freundschaft mit Valentino: „I leave myself, my friends, and all, for love. Thou, Julia, thou hast metamorphosed me” (I.1). Dass sich Shakespeare hier wiederholt über die “wahre” Liebe mokiert wird dadurch deutlich, dass sich besagter Proteus ruckzuck in eine andere, Sylvia, verliebt, die wiederum in Valentino verliebt ist, was auf Gegenseitigkeit beruht. Proteus hintergeht seinen guten Freund erfolglos und verliebt sich am Ende, wer hätte es für möglich gehalten, wieder in Julia, als klar wird, dass Valentino Sylvia bekommt. Am Ende gibt es eine Doppelhochzeit, da Valentino, ein echter Freund seiend, Proteus vergibt. Dass dies nur ein scheinbares Happy End sein kann, sollte klar geworden sein. Es gibt weder die echte Liebe zwischen Julia und Proteus, weder die beidseitige echte Freundschaft zwischen Valentino und Proteus. Trotzdem kann festgehalten werden, dass Freundschaft gegenüber Liebe aufgrund ihrer Beständigkeit einen höheren Stellenwert hat.
Darauf läuft auch das Zitat aus Hamlet hinaus. Es ist von einem Vater an seiner verliebten Sohn gerichtet und besagt, dass Freundschaften, die man hat, mit aller Macht erhalten werden sollten, da sie sehr viel wert sind. Als ich gestern mit guten Freunden am Hafen saß, ein Bierchen trank und handgemachter Gitarrenmusik lauschen konnte, habe ich auch über die Rolle von Freunden in meinem Leben nachgedacht.

Freunde sind in meinem Leben sehr wichtig und meine wichtigsten Bezugspersonen. Und es gibt auch Freunde in meinem Leben, die irgendwie schon immer da waren, aber auch Menschen, die ich erst später kennen lernen durfte. Als ich gestern am Hafen saß dachte, ich darüber nach, was wäre wenn es einfach so weiter ginge, wie es jetzt ist. Eingebettet in einen Freundeskreis, der so viele meiner Wünsche für das Leben befriedigt, wie Spaß, tolle Gespräche, Hilfe in Notsituationen, Rat und Tat usw. usw., kann ich mir schon vorstellen, auf längere Zeit so ein glückliches Leben zu führen. Aber kann es so weitergehen? Sind die Freunde wirklich immer da? Oder müssen sie wie bei Shakespeare sich irgendwann zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden?

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Freundschaften, also selbstgewählte soziale Kontakte, enge Familienbeziehungen immer mehr auflösen werden. Ein Gedanke, der mich gleichermaßen beängstigt wie fasziniert. Geht das? Können Freunde unsere neue Familie sein? Wollen wir das? Oder bringen sie doch nicht die Beständigkeit in unser Leben, die wir brauchen? Brauchen wir überhaupt Beständigkeit? Manchmal kann ich mir schon vorstellen, in einer Gemeinschaft von lieben, selbstgewählten Menschen alt und glücklich zu werden. Aber die Angst, dann irgendwann doch allein zu sein, ist so gegeben. Vielleicht muss unter diesen Freunden einfach ein Partner sein, mit dem man, in der Hoffnung auf beständiges Glück, eine eigene selbstgewählte Familie gründet. Ich hoffe jedoch, dass ich mich dabei nicht zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden muss, sondern meinen Freunden, die ich habe, treu bleiben kann.

Sonntag, 21. Juni 2009

I can add colours to the chameleon

…Change shapes with Proteus for advantage” (3 Henry VI, III, ii, 191-193). So spricht Shakespeares machtsüchtiger und tyrannischer Herrscher Richard III. Um König von England zu werden, ist Richard bereit, mehr Farben als ein Chamäleon aufzuweisen und in die Rolle von Proteus zu schlüpfen. Proteus ist eine Gottheit der griechischen Mythologie, die die Gabe hat, ihre Gestalt zu verändern. Richard III. ist eine der bösesten und hinterlistigsten Figuren Shakespeares. Er wird von Shakespeare nicht nur als herz- und skrupellos dargestellt, sondern seine charakterliche Bosheit zeigt sich auch in seiner äußeren Gestalt. So hat Shakespeares Richard einen Buckel, schiefe Zähne und wurde per Kaiserschnitt geboren, was damals den Ruf des Teuflischen innehatte. Richard wird durch Intrigen und Boshaftigkeit König, wobei er auch nicht von der Tötung kindlicher Thronfolger zurückschreckt.
Trotz seiner Boshaftigkeit übt Richard eine Faszination auf den Leser bzw. Theaterzuschauer aus. Seine Gerissenheit und seine Fähigkeit, andere Menschen zu manipulieren haben eine gewisse Anziehungskraft. So ist Richard III. das meist gespielte Stück Shakespeares und es gibt zahlreiche Verfilmungen.
Die Fähigkeit, die eigene Farbe oder Gestalt zu verändern bringt Richard auf den Thron. Er schafft es, sich immer so zu zeigen, wie er gesehen werden will und kommt so diplomatisch an sein Ziel. Er lügt, schmeichelt und sagt den Menschen, das was sie hören müssen, um ihm gewogen zu sein. Grundsätzlich muss solches Verhalten wohl als unmoralisch und unehrlich bewertet werden. Aber ich habe mich in der letzten Woche oft gefragt, wie viel Richard III in mir und in uns allen steckt und dies vielleicht auch muss, um nicht mit leeren Händen dazustehen.
Unser Alltag und ich denke dabei vornehmlich an die berufliche Sphäre zwingt uns doch ständig, wie ein Chamäleon die Farben der Situation entsprechend zu ändern. So musste ich letzte Woche oft meine Gestalt meinem Gegenüber so anpassen, dass ich am Ende nicht als die Verliererin, die Schuldige oder die Unverantwortliche gesehen wurde. Habe ich dabei Leuten unehrlich geschmeichelt? Ja. Habe ich dabei Dinge gesagt, die ich eigentlich anders sehe? Ja. Habe ich gelogen? Nein, das nicht. Habe ich andere beschuldig oder in ein falsches Licht gerückt? Nein, auch so weit bin ich nicht gegangen. Ich hätte jedoch weiter gehen können. Wo sind die Grenzen, wenn es darum geht im Beruf oder auch privat weiterzukommen? Abläufe sind so komplex, dass es immer wieder passiert, dass Ereignisse, Meinungen und Handlungen falsch verstanden, wiedergegeben und interpretiert werden. Beim Richtigstellen solcher Missverständnisse stellt sich die Frage, wie weit man gehen darf, ohne die Grenzen der selbst gesetzten moralischen Maßstäbe, die bei Richard recht niedrig waren, zu übertreten.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit man ein Proteus sein darf, ohne sich selbst zu verraten. Es wird immer so sein, dass es Vorgesetzte oder andre Menschen gibt, die darüber entscheiden, was mit uns geschieht. Unter diesen Personen werden immer welche sein, die sich nicht durch objektive, sachliche Argumente leiten lassen, sondern die umschmeichelt und bestätigt werden müssen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sich niemand davon frei sprechen kann, nach Sympathie und subjektivem Empfinden zu handeln. Ich finde es so schwer, die Grenze zwischen schleimpfützenbildenden Opportunismus und dem unliebsamen Bestehen auf die eigene Meinung und Prinzipien zu finden. Wie so oft liegt der richtige Weg sicher in der goldenen Mitte. Ich denke, manchmal muss man sich selbst zurücknehmen und wichtigen Menschen zum Mund reden, da alles andere Energieverschwendung und Dummheit wäre. Trotzdem werde ich sicherlich oft zu den Personen gehören, die von besseren Chamäleons und Proteuesen ausgestochen werden, aber diesen Preis bin ich zu Gunsten meiner Selbstachtung und Beruhigung meines Gewissens zu zahlen bereit. Ich möchte kein Richard sein, zumal er am Ende für all seine Gräueltaten bestraft wird ;)

Sonntag, 14. Juni 2009

Shall I compare thee to a summer's day?

Shall I compare thee to a summer's day?
Thou art more lovely and more temperate.
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer's lease hath all too short a date.

Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimm'd;
And every fair from fair sometime declines,
By chance or nature's changing course untrimm'd;

But thy eternal summer shall not fade
Nor lose possession of that fair thou ow'st;
Nor shall Death brag thou wander'st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow'st:

So long as men can breathe or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Sonett 18 gehört zu den bekannteren Sonetten und ist von 154 Sonetten eins der früheren. Die meisten Interpretationen deuten es als Liebeserklärung an einen jungen Mann. Es ist jedoch auch anders zu deuten. Ich möchte kurz den Inhalt erläutern und dann eine alternative Deutung darlegen, die auch erklären soll, warum ich für mein heutiges fabelhaftes Erlebnis dieses Sonett ausgewählt habe.
Im ersten Quarett (Alle Sonette sind thematisch in drei Quartette und ein Couple einteilbar) fragt sich der Sprecher ob er "thee", wer immer das sein mag, mit einem Sommertag vergleichen kann und stellt fest, dass dies nicht geht, da "thee" schöner und wärmer ist und der Sommer vergeht und Blüten verblühen, was beim "Thee" nicht so zu sein scheint.
Im zweiten Quartett fährt der Sprecher fort, dass Sommere ja auch manchmal zu heiß und gar nicht immer schön sind und ja in der Natur alles Schöne irgendwann verschwindet. (Für Sprachinterssierte intersant: Die Sonne, the eye of heaven, ist im englischen maskulin "his gold complexion", was übrigens in fast allen europäischen Sprachen der Fall ist. Das Deutsche bildet da eine Ausnahme)
Im dritten Quartett äußert der Sprecher den Wunsch, dass der Zerfall des Schönen für das "thee" doch bitte nicht der Fall sein soll. Ewig soll die Schönheit des "thee" leben.
Das Abschluss couplet, was immer besonders viel Bedeutung hat, weil es als eine Art Schlussfolgerung bildet, sagt: "Denn so lange Menschen atmen und Augen sehen. so lang lebt dies und dies gibt dir Leben."
Ja, natürlich kann das "Thee" als junger Mann oder eine wunscherschöne Frau gedeutet, werden deren Schönheit ("this) ewig währt. Ich denke jedoch, dass Shakespeare hier keinen Menschen meint, sondern die Poesie. Diese ist für ihn so schön und vollkommen und es wird sie immer geben, solange Menschen sie mit Leben füllen.

Ich habe heute dieses Sonnet gewählt, weil es nicht nur auf Poesie beziehbar ist, sondern auch auf Kunst im Allgemeinen: In meinem Fall heute nämlich auf Musik. Ich durfte heute auf ein Jethro Tull Live Open Air Konzert gehen. Und es war wirklich fabelhaft. Es war so eine Freude, den Musikern auf der Bühen zuzusehen, in einer entspannten Atmosphäre, ohne Gedrängel und Geschubse. Alle haben sich nur über die Musik gefreut. Immer, wenn ich richtig gute Bands sehe, denke ich: "Man darf eigentlich nie wieder Zeit mit schlechter Musik verschwenden oder Musik hören, die von Leuten gemacht wird, die keine richtigen Musiker sind. Also richtige Musiker von Herzen. Wie man einfach merkt, wenn jemand das was er tut wirklich liebt, lebt und fühlt.

"Kritisch" anmerken möchte ich etwas über die Haltung des Publikums. Man stelle sich einen halb-glatzigen Mann mit Vollbart vor, der mit vor der Brust verschränkten Armen allerhöchstens mit dem Kopf wippt. Nein, ich will das in keinster Weise verurteilen. Jeder soll die Musik so erleben, wie er es mag, aber ich habe meinen Vater gefragt, der mir diese Ereignis finanziell ermöglichte, und er meinte, dass dies wohl vor 20 Jahren auch noch anders ausgesehen hätte. Wie ich mir vorgestellt habe, dass wir in 20 Jahren bloß den Kopf leicht bewegend auf nem Ärzte-konzert oder so stehen. Man weiß es nicht.

Dann möchte ich noch positiv die Künsterlerin Saori Jo, die die Vorband war, erwähnen. Eine Französin, die sich ganz allein an ihr Stage-piano setzte und los sang. Später in Begleitung einer akkustischen Guitarre, vom Stil her irgendwo zwischen Katie Melua und Fiona Apple. Sehr ergreifend war es, weil ihre Emotionen in der Stimme und bei der Begleitung auf dem Klavier durch den Minimalismus sehr eindrucksvoll zur Geltung kamen. Sie hatte sogar die Ehre, bei einem Song von Ian Anderson persönlich auf der Querflöte begleitet zu werden. Ich was so angetan, dass ich eine CD mit vier Tracks käuflich erwarb. Ich muss jedoch sagen, dass auf der CD viel von der Intesnität, die live zu verspüren war verloren ging.

So long as men can breathe or eyes can see
So long lives this, and this gives life to thee

So lange Menschen leben, wird es Musik geben und solang werden auch Menschen von Musik verbunden und am Leben gehalten. Dass Musik jung und alt verbindet ist nicht Neues, und auch nicht dass sie Kraft und Zeit zur Besinnung aber auch gute Laune bringt ist keine Neuigkeit, es ist jedoch immer wieder einfach schön zu sehen, dass es wirklich so ist. Musik kann nicht mit einem vergänglichen, manchmal zu heißem Sommertag verglichen werden. Sie ist mehr, länger, von und und für uns da!

Samstag, 13. Juni 2009

All the world is a stage...

...And all men and women are merely players" (As you like it. VII, 2). Dieses wohl bekanneste Zitat aus dem Stück "Wie es euch gefällt" kam mir heute in den Sinn, als ich mal wieder tanzen war. Und da es so bekannt und fast schon etwas abgedroschen ist, dachte ich mir, ich bringe es gleich hinter mich ;). Das Besondere an diesen Zitat ist, dass es eine Motivdoppelung gibt. So wird gesagt, dass die Welt eine Bühne ist, und zwar auf einer Bühne. Der Theaterzuschauer wird nicht nur daran erinnert, dass er in seinem Leben ständig nur Rollen spielt (Freund, Chef, Passant usw.), sondern ihm wird auch ins Gedächtnis gerufen, dass er sich auch jetzt in der Rolle des Theaterzuschauers befindet. Der Schauspieler selbst zeigt, während er diesen Setz sagt, auf eine ironische Weise, dass er sich und seine Rolle im Stück nicht zu ernst nehmen darf. Die Bewertung eines Theaterstückes als bloßes Theaterstück ist ein technischer Griff, den Shakespeare nicht nur in "As you like it" verwandt hat.

Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Clubs und Kneipen, zu den wichtigen "Bühnen" der heutigen Welt gehören. Auf der Tanzfläche und an der Bar schlüpfen alle in die Rolle, in der sie gern wahrgenommen werden wollen. Das liegt wohl daran, dass das nächtliche Ausgehen für gerade Singels von heute eine sehr wichtige Quelle zur Kontaktaufnahme zum anderen oder auch selben Geschlecht geworden ist. Für eine erfolgreiche Kontaktaufnahme werden Haare gestylt, das Gesicht bemalt, der Bauch eingezogen und eine meiner Meinung nach eine für Clubs typische Attitüde angenommen. Ständig darauf bedacht, selbst im besten Licht dazustehen, werden andere Menschen, einer nach dem anderen, kurz gescannt. Ein Blick von oben nach unter oder nach Belieben auch umgekehrt und weiter gehts. Die Frage, die ich mir heute dabei stellte war: Wenn die Welt oder eben dieser Club nur eine Bühne ist, und wir alle nur schauspielern, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, wirklich jemanden zu treffen? Selbst wenn man mit jeamdem ein nettes Gespräch führt, mit wem spricht man denn wirklich? Man spricht doch nur mit der Rolle, die die jeweilige Person für die am besten Wirkende einschätzt.

Heißt das nun, dass man vom bloßen Gucken und Smalltalken beim nächtlichen Kennenlernen, niemanden wirklich kennenlernen kann? Muss man immer davon ausgehen, dass alle nur eine Rolle spielen und dass man sich nicht auf seine Menschenkenntnis verlassen kann? Ich denke, dass das so auch nicht wahr ist. Ich habe mich selbst mal beim Beobachten beobachtet, und beobachtet, dass ich sofort, auf den ersten Blick sagen konnte, wen ich als sympatisch einschätzen würde und wen ich wirklich einfach gar nicht erst kennenlernen will. Man müsste nun testen, ob mir diese auf den ersten Blick, sympatischen Leute, auch auf den zweiten Blick auch noch sympathisch wären, aber ich finde es doch beachtlich, wieviel man nach dem ersten Blick schon über einen Fremden zu meinen glaubt. Es ist unmöglich, dies an festen Kriterien, wie Größe oder Haarfarbe festzumachen. Manche Menschen erscheinen einem sofort sympatisch oder unsympatisch. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass Manche ihr Rolle besonders gut oder besonders schlecht spielen? Oder wirken am Ende, die Leute am sympatischtesten und interessantesten, deren Club-Rolle ihren anderen Rollen, die sie im Alltag ständig spielen, am nähesten sind? Das wäre die Erklärung, die mir an besten gefiele.

Ich selbst sehe mich am liebsten in der Rolle, des Einfach-nur-Spaß-haben-wollens, aber ertappe mich doch dabei, in eine Ich-will-auf-andere-eine-positive-Wirkung-haben-Rolle, zu rutschen (vor allem wenn man wegen DJ Qualle oder anderen Spaßbremsen keinen Spaß hat). Dann ist es aber immer noch besser, andere beim Spielen ihrer Rollen auf der Bühne der Welt zu beobachten und sich zu fragen, wieviele verschiedene Rollen jemand in seinem Leben zu spielen hat und ob man einige Akte sogar gemeinsam spielen kann.

Freitag, 12. Juni 2009

Let us sit and mock the good housewife Fortune...

...from her wheel" Dies ist ein Zitat von Celia aus William Shakespeares "As you like it". Celia ist die beste Freundin von Rosalind und folgt ihr bedingungslos ins Exil. Rosalind ist die weibliche Haputfigur des Stückes und Celia fungiert hauptsächlich als ihre Beraterin. Dabei entwickelt sie aber auch eigene Chrakterzüge wie die absolut aufrichitge Freundschaft zu Rosalind die Tendenz sich schnell zu verlieben und den klugen Wortwitz.
Verkleidet suchen und finden Beide in der fantastischen Welt des Waldes, fernab von Zivilisation, ihre Liebe. Dies geschieht auf Umwegen - beide müssen erst ihre bürgerliche Identität ablegen, um ihre Liebe zu finden. (Ein typisches Motiv für Shakespeare). Rosalind verkleidet sich als Schäfer und nennt sich Ganymede, während Celia als seine Schwester zumindest ihre geschlechtliche Identität als Aliena behalten darf. Nach Irrungen, Verwechselungen und Aufdeckungen sind am Ende alle glücklich. Das Schicksal fügt die vermeintlich passenden Paare zusammen. Alle haben ihre wahre Liebe gefunden. Wirklich?

Nein, wie in vielen seiner Komödien, mockiert sich Shakespeare auch in "As you like it" über die romantischen Vorstellungen der wahren Liebe. Die vermeintlichen "Happy Ends" verweisen bei genauerer Betrachtung auf die anderen Seiten der vermeintlich wahren Liebe, wie Selbstaufgabe oder Gewöhnung. Trotzdem oder gerad deswegen können uns Shakepeares Komödien und auch seine anderen Werke viel über die Liebe, das Glück und unsere Vorstellungen von einem erfüllten Leben zeigen.

Ich möchte mich bei meiner persönlichen Suche nach Liebe und Glück von Shakespeare begleiten oder sogar beraten lassen. Auch wenn Shakespeare zu Genüge rezitiert, zitiert, kommentiert, interpretiert und analysiert wurde, bietet er immer noch Raum für eine persönliche Sichtweise auf seine Werke. Shakespeare gehört meiner Meinung nach nicht zu den Autoren, die irgendwann mal in den Kanon aufgenommen wurden und deswegen immer gelesen werden müssen. Es steckt wirklich ganz viel auch heute noch Wahres in seine Stücken und Sonetten, nicht nur über die Liebe, auch über das Leben an sich, die Gesellschaft, Männer und Frauen, Wirtschaft und Politik sagen seine Figuren etwas oder etwas aus.

Das Eingangszitat verdeutlicht die bereits erwähnte Rolle des Schicksals auf unser Leben. Celia fordert: "Let us sit and mock the good housewife Fortune from her wheel, that her gifts may henceforth be bestow'd equally". Mit diesem Zitat wird nicht nur die Frage in den Raum geworfen, ob es ein Schicksal gibt, dass uns Glück zukommen lässt oder eben nicht, sondern es kann auch als kritische Hinterfragung dessen gesehen werden, was sich Frauen wie Celia und Rosalind für gewöhnlich vom Schicksal wünschen. Ist ein houswife-ähnliches Leben, das was für eine Frau erstrebenswert ist?

Auch ich frage mich oft, ob der immer noch als gut und richtig gepriesene Weg des Ehemannfindes und Kinderkriegens wirklich der Richtige ist. Hast sich unser Leben und unsere Welt so veränadert, dass wir uns vielleicht wirklich von diesen statischen Familienentwürfen verabschieden müssen? Ich glaube, ich fände es schade, wenn es wirklich so wäre und hoffe, dass das Rad des Schicksals für mich einen Weg bereithält, den ich gern gehen möchte , nicht allein, sondern mit Shakespeares Hilfe. ;)