Montag, 29. Juni 2009

When my love swears that she is made of truth...

...I believe her though I know she lies.
(The Passionate Pilgrim, 1(Sonnet 138)

Als ich gestern Abend melancholisch im Bett lag und ja fast lustlos mein inzwischen auch mit Kaffee besudeltes Shakespearebuch durchblätterte, stieß ich auf die Sonettreihe „The Passionate Pligrim“, die mir bisher unbekannt war. Dabei handelt es sich um eine Anthologie von Gedichten, die Shakespeare zugeschrieben und unter seinem Namen veröffentlicht wurden. Einige der Gedichte wurden jedoch bei Autoren wie beispielsweise Christopher Marlowe wieder gefunden. Andere Gedichte konnten ob ihrer Herkunft noch nicht definitiv zugeordnet werden. Sicher konnten die Stücke Shakespeare zugeschrieben werden, die sich in anderen seiner Werke wie dem Sonettzyklus oder „Love’s Labour’s Lost“ wieder finden. So verhält es sich auch bei dem Sonett, aus dem die beiden Zeilen stammen.
Das Sonett handelt davon, dass die Liebe uns Jugend vorgaukelt, auch wenn wir schon alt und gebrechlich sind. Es ist eben eine Eigenschaft der Liebe, uns zu beruhigen und zu besänftigen: „O, love’s best habit is a soothing tongue“. Ich bin noch nicht so alt, dass mir die Liebe Jugend schon vorgaukeln muss, aber eine wundervolle Eigenschaft der Liebe, die auf mehr als nur Jugend übertragbar ist, wird in diesem Sonett auf wundervolle Weise beschrieben. So lautet das Abschluss-Couplet, das ich so schön fand, dass ich es mehrmals las und mich jedes Mal freute:

Therefore I’ll lie with love, and love with me,
Since that our faults in love thus smother’d be.

Die Liebe verdeckt und versteckt unsere Fehler, und darum soll man sich auf ihr Lügenspiel einlassen. Ich finde es bemerkenswert, wie viel in diesen beiden kleinen Zeilen steckt: „I’ll lie with love“, wenn man liebt, ist man in der Lage, die Fehler des anderen zu übersehen und sie weg zu lügen, um der Liebe willen ist man bereit, Dinge anders zu sehen. Aber auch eine andere Seite ist vorhanden: „and love with me“, wenn man geliebt wird, kann man von der Lügnerin der Liebe auch profitieren, weil eigene Fehler verdeckt werden. Ein schöner Gedanke und ich finde auch einfach, dass man an den beiden Zeilen sehen kann, wie gut Shakespeare dichtete. Es klingt auch einfach so gut.

Ich weiß nicht ob meine eher positive Interpretation richtig ist. Lügen ist ja eigentlich was Schlechtes. Und auch die Vorspiegelung falscher Tatsachen, blind vor Liebe sein und eventuell schlimme Sachen gar nicht zu sehen, sind ja nicht immer etwas Gutes. Außerdem könnte dahinter auch die Idee stecken, dass man in langen Beziehungen Dinge nicht mehr hinterfragt und Sachen einfach so hinnimmt. Aber als ich gestern die beiden Zeilen las, ging mir mein Herz auf, obwohl ich nicht mal einen konkreten Bezug zu meinem Leben finden konnte. Die Zeilen haben mich einfach berührt und das ist genau der Zweck, den sie erfüllen sollen.

Donnerstag, 25. Juni 2009

The friends thou hast, and their adoption tried

...Grapple them to thy soul with hoops of steel;" (Polonius, Hamlet I, 3.)

Freundschaft ist ein wichtiges Thema für Shakespeare, vor allem die Freundschaft zwischen zwei Männern, aber auch Frauen. Die Freundschaft zwischen Mann und Frau spielt meines Wissens kaum eine Rolle, da es zwischen ihnen nur Liebe gibt. Die gleichgeschlechtliche Freundschaft hat bei Shakespeare einen sehr hohen Stellenwert und steht meist im Kontrast zur Liebe. Oft müssen sich die Figuren zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden, wobei Freundschaft als das Beständigere dargestellt wird.

Ein Beispiel dafür ist in „The two Gentleman of Verona“ zu finden. Valentino und Proteus sind die besten Freunde. Doch Proteus Freundschaft ist nicht so ehrlich wie die Valentinos. So stellt er seine große Liebe Julia über die Freundschaft mit Valentino: „I leave myself, my friends, and all, for love. Thou, Julia, thou hast metamorphosed me” (I.1). Dass sich Shakespeare hier wiederholt über die “wahre” Liebe mokiert wird dadurch deutlich, dass sich besagter Proteus ruckzuck in eine andere, Sylvia, verliebt, die wiederum in Valentino verliebt ist, was auf Gegenseitigkeit beruht. Proteus hintergeht seinen guten Freund erfolglos und verliebt sich am Ende, wer hätte es für möglich gehalten, wieder in Julia, als klar wird, dass Valentino Sylvia bekommt. Am Ende gibt es eine Doppelhochzeit, da Valentino, ein echter Freund seiend, Proteus vergibt. Dass dies nur ein scheinbares Happy End sein kann, sollte klar geworden sein. Es gibt weder die echte Liebe zwischen Julia und Proteus, weder die beidseitige echte Freundschaft zwischen Valentino und Proteus. Trotzdem kann festgehalten werden, dass Freundschaft gegenüber Liebe aufgrund ihrer Beständigkeit einen höheren Stellenwert hat.
Darauf läuft auch das Zitat aus Hamlet hinaus. Es ist von einem Vater an seiner verliebten Sohn gerichtet und besagt, dass Freundschaften, die man hat, mit aller Macht erhalten werden sollten, da sie sehr viel wert sind. Als ich gestern mit guten Freunden am Hafen saß, ein Bierchen trank und handgemachter Gitarrenmusik lauschen konnte, habe ich auch über die Rolle von Freunden in meinem Leben nachgedacht.

Freunde sind in meinem Leben sehr wichtig und meine wichtigsten Bezugspersonen. Und es gibt auch Freunde in meinem Leben, die irgendwie schon immer da waren, aber auch Menschen, die ich erst später kennen lernen durfte. Als ich gestern am Hafen saß dachte, ich darüber nach, was wäre wenn es einfach so weiter ginge, wie es jetzt ist. Eingebettet in einen Freundeskreis, der so viele meiner Wünsche für das Leben befriedigt, wie Spaß, tolle Gespräche, Hilfe in Notsituationen, Rat und Tat usw. usw., kann ich mir schon vorstellen, auf längere Zeit so ein glückliches Leben zu führen. Aber kann es so weitergehen? Sind die Freunde wirklich immer da? Oder müssen sie wie bei Shakespeare sich irgendwann zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden?

Irgendwo habe ich mal gelesen, dass Freundschaften, also selbstgewählte soziale Kontakte, enge Familienbeziehungen immer mehr auflösen werden. Ein Gedanke, der mich gleichermaßen beängstigt wie fasziniert. Geht das? Können Freunde unsere neue Familie sein? Wollen wir das? Oder bringen sie doch nicht die Beständigkeit in unser Leben, die wir brauchen? Brauchen wir überhaupt Beständigkeit? Manchmal kann ich mir schon vorstellen, in einer Gemeinschaft von lieben, selbstgewählten Menschen alt und glücklich zu werden. Aber die Angst, dann irgendwann doch allein zu sein, ist so gegeben. Vielleicht muss unter diesen Freunden einfach ein Partner sein, mit dem man, in der Hoffnung auf beständiges Glück, eine eigene selbstgewählte Familie gründet. Ich hoffe jedoch, dass ich mich dabei nicht zwischen Freundschaft und Liebe entscheiden muss, sondern meinen Freunden, die ich habe, treu bleiben kann.

Sonntag, 21. Juni 2009

I can add colours to the chameleon

…Change shapes with Proteus for advantage” (3 Henry VI, III, ii, 191-193). So spricht Shakespeares machtsüchtiger und tyrannischer Herrscher Richard III. Um König von England zu werden, ist Richard bereit, mehr Farben als ein Chamäleon aufzuweisen und in die Rolle von Proteus zu schlüpfen. Proteus ist eine Gottheit der griechischen Mythologie, die die Gabe hat, ihre Gestalt zu verändern. Richard III. ist eine der bösesten und hinterlistigsten Figuren Shakespeares. Er wird von Shakespeare nicht nur als herz- und skrupellos dargestellt, sondern seine charakterliche Bosheit zeigt sich auch in seiner äußeren Gestalt. So hat Shakespeares Richard einen Buckel, schiefe Zähne und wurde per Kaiserschnitt geboren, was damals den Ruf des Teuflischen innehatte. Richard wird durch Intrigen und Boshaftigkeit König, wobei er auch nicht von der Tötung kindlicher Thronfolger zurückschreckt.
Trotz seiner Boshaftigkeit übt Richard eine Faszination auf den Leser bzw. Theaterzuschauer aus. Seine Gerissenheit und seine Fähigkeit, andere Menschen zu manipulieren haben eine gewisse Anziehungskraft. So ist Richard III. das meist gespielte Stück Shakespeares und es gibt zahlreiche Verfilmungen.
Die Fähigkeit, die eigene Farbe oder Gestalt zu verändern bringt Richard auf den Thron. Er schafft es, sich immer so zu zeigen, wie er gesehen werden will und kommt so diplomatisch an sein Ziel. Er lügt, schmeichelt und sagt den Menschen, das was sie hören müssen, um ihm gewogen zu sein. Grundsätzlich muss solches Verhalten wohl als unmoralisch und unehrlich bewertet werden. Aber ich habe mich in der letzten Woche oft gefragt, wie viel Richard III in mir und in uns allen steckt und dies vielleicht auch muss, um nicht mit leeren Händen dazustehen.
Unser Alltag und ich denke dabei vornehmlich an die berufliche Sphäre zwingt uns doch ständig, wie ein Chamäleon die Farben der Situation entsprechend zu ändern. So musste ich letzte Woche oft meine Gestalt meinem Gegenüber so anpassen, dass ich am Ende nicht als die Verliererin, die Schuldige oder die Unverantwortliche gesehen wurde. Habe ich dabei Leuten unehrlich geschmeichelt? Ja. Habe ich dabei Dinge gesagt, die ich eigentlich anders sehe? Ja. Habe ich gelogen? Nein, das nicht. Habe ich andere beschuldig oder in ein falsches Licht gerückt? Nein, auch so weit bin ich nicht gegangen. Ich hätte jedoch weiter gehen können. Wo sind die Grenzen, wenn es darum geht im Beruf oder auch privat weiterzukommen? Abläufe sind so komplex, dass es immer wieder passiert, dass Ereignisse, Meinungen und Handlungen falsch verstanden, wiedergegeben und interpretiert werden. Beim Richtigstellen solcher Missverständnisse stellt sich die Frage, wie weit man gehen darf, ohne die Grenzen der selbst gesetzten moralischen Maßstäbe, die bei Richard recht niedrig waren, zu übertreten.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, inwieweit man ein Proteus sein darf, ohne sich selbst zu verraten. Es wird immer so sein, dass es Vorgesetzte oder andre Menschen gibt, die darüber entscheiden, was mit uns geschieht. Unter diesen Personen werden immer welche sein, die sich nicht durch objektive, sachliche Argumente leiten lassen, sondern die umschmeichelt und bestätigt werden müssen. Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass sich niemand davon frei sprechen kann, nach Sympathie und subjektivem Empfinden zu handeln. Ich finde es so schwer, die Grenze zwischen schleimpfützenbildenden Opportunismus und dem unliebsamen Bestehen auf die eigene Meinung und Prinzipien zu finden. Wie so oft liegt der richtige Weg sicher in der goldenen Mitte. Ich denke, manchmal muss man sich selbst zurücknehmen und wichtigen Menschen zum Mund reden, da alles andere Energieverschwendung und Dummheit wäre. Trotzdem werde ich sicherlich oft zu den Personen gehören, die von besseren Chamäleons und Proteuesen ausgestochen werden, aber diesen Preis bin ich zu Gunsten meiner Selbstachtung und Beruhigung meines Gewissens zu zahlen bereit. Ich möchte kein Richard sein, zumal er am Ende für all seine Gräueltaten bestraft wird ;)

Sonntag, 14. Juni 2009

Shall I compare thee to a summer's day?

Shall I compare thee to a summer's day?
Thou art more lovely and more temperate.
Rough winds do shake the darling buds of May,
And summer's lease hath all too short a date.

Sometime too hot the eye of heaven shines,
And often is his gold complexion dimm'd;
And every fair from fair sometime declines,
By chance or nature's changing course untrimm'd;

But thy eternal summer shall not fade
Nor lose possession of that fair thou ow'st;
Nor shall Death brag thou wander'st in his shade,
When in eternal lines to time thou grow'st:

So long as men can breathe or eyes can see,
So long lives this, and this gives life to thee.

Sonett 18 gehört zu den bekannteren Sonetten und ist von 154 Sonetten eins der früheren. Die meisten Interpretationen deuten es als Liebeserklärung an einen jungen Mann. Es ist jedoch auch anders zu deuten. Ich möchte kurz den Inhalt erläutern und dann eine alternative Deutung darlegen, die auch erklären soll, warum ich für mein heutiges fabelhaftes Erlebnis dieses Sonett ausgewählt habe.
Im ersten Quarett (Alle Sonette sind thematisch in drei Quartette und ein Couple einteilbar) fragt sich der Sprecher ob er "thee", wer immer das sein mag, mit einem Sommertag vergleichen kann und stellt fest, dass dies nicht geht, da "thee" schöner und wärmer ist und der Sommer vergeht und Blüten verblühen, was beim "Thee" nicht so zu sein scheint.
Im zweiten Quartett fährt der Sprecher fort, dass Sommere ja auch manchmal zu heiß und gar nicht immer schön sind und ja in der Natur alles Schöne irgendwann verschwindet. (Für Sprachinterssierte intersant: Die Sonne, the eye of heaven, ist im englischen maskulin "his gold complexion", was übrigens in fast allen europäischen Sprachen der Fall ist. Das Deutsche bildet da eine Ausnahme)
Im dritten Quartett äußert der Sprecher den Wunsch, dass der Zerfall des Schönen für das "thee" doch bitte nicht der Fall sein soll. Ewig soll die Schönheit des "thee" leben.
Das Abschluss couplet, was immer besonders viel Bedeutung hat, weil es als eine Art Schlussfolgerung bildet, sagt: "Denn so lange Menschen atmen und Augen sehen. so lang lebt dies und dies gibt dir Leben."
Ja, natürlich kann das "Thee" als junger Mann oder eine wunscherschöne Frau gedeutet, werden deren Schönheit ("this) ewig währt. Ich denke jedoch, dass Shakespeare hier keinen Menschen meint, sondern die Poesie. Diese ist für ihn so schön und vollkommen und es wird sie immer geben, solange Menschen sie mit Leben füllen.

Ich habe heute dieses Sonnet gewählt, weil es nicht nur auf Poesie beziehbar ist, sondern auch auf Kunst im Allgemeinen: In meinem Fall heute nämlich auf Musik. Ich durfte heute auf ein Jethro Tull Live Open Air Konzert gehen. Und es war wirklich fabelhaft. Es war so eine Freude, den Musikern auf der Bühen zuzusehen, in einer entspannten Atmosphäre, ohne Gedrängel und Geschubse. Alle haben sich nur über die Musik gefreut. Immer, wenn ich richtig gute Bands sehe, denke ich: "Man darf eigentlich nie wieder Zeit mit schlechter Musik verschwenden oder Musik hören, die von Leuten gemacht wird, die keine richtigen Musiker sind. Also richtige Musiker von Herzen. Wie man einfach merkt, wenn jemand das was er tut wirklich liebt, lebt und fühlt.

"Kritisch" anmerken möchte ich etwas über die Haltung des Publikums. Man stelle sich einen halb-glatzigen Mann mit Vollbart vor, der mit vor der Brust verschränkten Armen allerhöchstens mit dem Kopf wippt. Nein, ich will das in keinster Weise verurteilen. Jeder soll die Musik so erleben, wie er es mag, aber ich habe meinen Vater gefragt, der mir diese Ereignis finanziell ermöglichte, und er meinte, dass dies wohl vor 20 Jahren auch noch anders ausgesehen hätte. Wie ich mir vorgestellt habe, dass wir in 20 Jahren bloß den Kopf leicht bewegend auf nem Ärzte-konzert oder so stehen. Man weiß es nicht.

Dann möchte ich noch positiv die Künsterlerin Saori Jo, die die Vorband war, erwähnen. Eine Französin, die sich ganz allein an ihr Stage-piano setzte und los sang. Später in Begleitung einer akkustischen Guitarre, vom Stil her irgendwo zwischen Katie Melua und Fiona Apple. Sehr ergreifend war es, weil ihre Emotionen in der Stimme und bei der Begleitung auf dem Klavier durch den Minimalismus sehr eindrucksvoll zur Geltung kamen. Sie hatte sogar die Ehre, bei einem Song von Ian Anderson persönlich auf der Querflöte begleitet zu werden. Ich was so angetan, dass ich eine CD mit vier Tracks käuflich erwarb. Ich muss jedoch sagen, dass auf der CD viel von der Intesnität, die live zu verspüren war verloren ging.

So long as men can breathe or eyes can see
So long lives this, and this gives life to thee

So lange Menschen leben, wird es Musik geben und solang werden auch Menschen von Musik verbunden und am Leben gehalten. Dass Musik jung und alt verbindet ist nicht Neues, und auch nicht dass sie Kraft und Zeit zur Besinnung aber auch gute Laune bringt ist keine Neuigkeit, es ist jedoch immer wieder einfach schön zu sehen, dass es wirklich so ist. Musik kann nicht mit einem vergänglichen, manchmal zu heißem Sommertag verglichen werden. Sie ist mehr, länger, von und und für uns da!

Samstag, 13. Juni 2009

All the world is a stage...

...And all men and women are merely players" (As you like it. VII, 2). Dieses wohl bekanneste Zitat aus dem Stück "Wie es euch gefällt" kam mir heute in den Sinn, als ich mal wieder tanzen war. Und da es so bekannt und fast schon etwas abgedroschen ist, dachte ich mir, ich bringe es gleich hinter mich ;). Das Besondere an diesen Zitat ist, dass es eine Motivdoppelung gibt. So wird gesagt, dass die Welt eine Bühne ist, und zwar auf einer Bühne. Der Theaterzuschauer wird nicht nur daran erinnert, dass er in seinem Leben ständig nur Rollen spielt (Freund, Chef, Passant usw.), sondern ihm wird auch ins Gedächtnis gerufen, dass er sich auch jetzt in der Rolle des Theaterzuschauers befindet. Der Schauspieler selbst zeigt, während er diesen Setz sagt, auf eine ironische Weise, dass er sich und seine Rolle im Stück nicht zu ernst nehmen darf. Die Bewertung eines Theaterstückes als bloßes Theaterstück ist ein technischer Griff, den Shakespeare nicht nur in "As you like it" verwandt hat.

Mir ist schon öfter aufgefallen, dass Clubs und Kneipen, zu den wichtigen "Bühnen" der heutigen Welt gehören. Auf der Tanzfläche und an der Bar schlüpfen alle in die Rolle, in der sie gern wahrgenommen werden wollen. Das liegt wohl daran, dass das nächtliche Ausgehen für gerade Singels von heute eine sehr wichtige Quelle zur Kontaktaufnahme zum anderen oder auch selben Geschlecht geworden ist. Für eine erfolgreiche Kontaktaufnahme werden Haare gestylt, das Gesicht bemalt, der Bauch eingezogen und eine meiner Meinung nach eine für Clubs typische Attitüde angenommen. Ständig darauf bedacht, selbst im besten Licht dazustehen, werden andere Menschen, einer nach dem anderen, kurz gescannt. Ein Blick von oben nach unter oder nach Belieben auch umgekehrt und weiter gehts. Die Frage, die ich mir heute dabei stellte war: Wenn die Welt oder eben dieser Club nur eine Bühne ist, und wir alle nur schauspielern, wie hoch ist dann die Wahrscheinlichkeit, wirklich jemanden zu treffen? Selbst wenn man mit jeamdem ein nettes Gespräch führt, mit wem spricht man denn wirklich? Man spricht doch nur mit der Rolle, die die jeweilige Person für die am besten Wirkende einschätzt.

Heißt das nun, dass man vom bloßen Gucken und Smalltalken beim nächtlichen Kennenlernen, niemanden wirklich kennenlernen kann? Muss man immer davon ausgehen, dass alle nur eine Rolle spielen und dass man sich nicht auf seine Menschenkenntnis verlassen kann? Ich denke, dass das so auch nicht wahr ist. Ich habe mich selbst mal beim Beobachten beobachtet, und beobachtet, dass ich sofort, auf den ersten Blick sagen konnte, wen ich als sympatisch einschätzen würde und wen ich wirklich einfach gar nicht erst kennenlernen will. Man müsste nun testen, ob mir diese auf den ersten Blick, sympatischen Leute, auch auf den zweiten Blick auch noch sympathisch wären, aber ich finde es doch beachtlich, wieviel man nach dem ersten Blick schon über einen Fremden zu meinen glaubt. Es ist unmöglich, dies an festen Kriterien, wie Größe oder Haarfarbe festzumachen. Manche Menschen erscheinen einem sofort sympatisch oder unsympatisch. Ist das nun ein Zeichen dafür, dass Manche ihr Rolle besonders gut oder besonders schlecht spielen? Oder wirken am Ende, die Leute am sympatischtesten und interessantesten, deren Club-Rolle ihren anderen Rollen, die sie im Alltag ständig spielen, am nähesten sind? Das wäre die Erklärung, die mir an besten gefiele.

Ich selbst sehe mich am liebsten in der Rolle, des Einfach-nur-Spaß-haben-wollens, aber ertappe mich doch dabei, in eine Ich-will-auf-andere-eine-positive-Wirkung-haben-Rolle, zu rutschen (vor allem wenn man wegen DJ Qualle oder anderen Spaßbremsen keinen Spaß hat). Dann ist es aber immer noch besser, andere beim Spielen ihrer Rollen auf der Bühne der Welt zu beobachten und sich zu fragen, wieviele verschiedene Rollen jemand in seinem Leben zu spielen hat und ob man einige Akte sogar gemeinsam spielen kann.

Freitag, 12. Juni 2009

Let us sit and mock the good housewife Fortune...

...from her wheel" Dies ist ein Zitat von Celia aus William Shakespeares "As you like it". Celia ist die beste Freundin von Rosalind und folgt ihr bedingungslos ins Exil. Rosalind ist die weibliche Haputfigur des Stückes und Celia fungiert hauptsächlich als ihre Beraterin. Dabei entwickelt sie aber auch eigene Chrakterzüge wie die absolut aufrichitge Freundschaft zu Rosalind die Tendenz sich schnell zu verlieben und den klugen Wortwitz.
Verkleidet suchen und finden Beide in der fantastischen Welt des Waldes, fernab von Zivilisation, ihre Liebe. Dies geschieht auf Umwegen - beide müssen erst ihre bürgerliche Identität ablegen, um ihre Liebe zu finden. (Ein typisches Motiv für Shakespeare). Rosalind verkleidet sich als Schäfer und nennt sich Ganymede, während Celia als seine Schwester zumindest ihre geschlechtliche Identität als Aliena behalten darf. Nach Irrungen, Verwechselungen und Aufdeckungen sind am Ende alle glücklich. Das Schicksal fügt die vermeintlich passenden Paare zusammen. Alle haben ihre wahre Liebe gefunden. Wirklich?

Nein, wie in vielen seiner Komödien, mockiert sich Shakespeare auch in "As you like it" über die romantischen Vorstellungen der wahren Liebe. Die vermeintlichen "Happy Ends" verweisen bei genauerer Betrachtung auf die anderen Seiten der vermeintlich wahren Liebe, wie Selbstaufgabe oder Gewöhnung. Trotzdem oder gerad deswegen können uns Shakepeares Komödien und auch seine anderen Werke viel über die Liebe, das Glück und unsere Vorstellungen von einem erfüllten Leben zeigen.

Ich möchte mich bei meiner persönlichen Suche nach Liebe und Glück von Shakespeare begleiten oder sogar beraten lassen. Auch wenn Shakespeare zu Genüge rezitiert, zitiert, kommentiert, interpretiert und analysiert wurde, bietet er immer noch Raum für eine persönliche Sichtweise auf seine Werke. Shakespeare gehört meiner Meinung nach nicht zu den Autoren, die irgendwann mal in den Kanon aufgenommen wurden und deswegen immer gelesen werden müssen. Es steckt wirklich ganz viel auch heute noch Wahres in seine Stücken und Sonetten, nicht nur über die Liebe, auch über das Leben an sich, die Gesellschaft, Männer und Frauen, Wirtschaft und Politik sagen seine Figuren etwas oder etwas aus.

Das Eingangszitat verdeutlicht die bereits erwähnte Rolle des Schicksals auf unser Leben. Celia fordert: "Let us sit and mock the good housewife Fortune from her wheel, that her gifts may henceforth be bestow'd equally". Mit diesem Zitat wird nicht nur die Frage in den Raum geworfen, ob es ein Schicksal gibt, dass uns Glück zukommen lässt oder eben nicht, sondern es kann auch als kritische Hinterfragung dessen gesehen werden, was sich Frauen wie Celia und Rosalind für gewöhnlich vom Schicksal wünschen. Ist ein houswife-ähnliches Leben, das was für eine Frau erstrebenswert ist?

Auch ich frage mich oft, ob der immer noch als gut und richtig gepriesene Weg des Ehemannfindes und Kinderkriegens wirklich der Richtige ist. Hast sich unser Leben und unsere Welt so veränadert, dass wir uns vielleicht wirklich von diesen statischen Familienentwürfen verabschieden müssen? Ich glaube, ich fände es schade, wenn es wirklich so wäre und hoffe, dass das Rad des Schicksals für mich einen Weg bereithält, den ich gern gehen möchte , nicht allein, sondern mit Shakespeares Hilfe. ;)