Montag, 20. Juli 2009

Now is the winter of discontent

Made glorious summer by this son of York (Richard III, I, 1)

Das sind die ersten beiden Zeilen auch Richard III, eines meiner Lieblingsstücke. Es beschreibt den Aufstieg und den Fall von Richard III. Das Ende seiner Herrschaft läutet auch das Ende der englischen Rosenkriege ein. Für Shakespeare waren die Rosenkriege und deren Beendigung durch das Tudor Geschlecht eine wichtiges Thema.

Wer Geschichte doof und langweilig findet, kann den nächsten Absatz überlesen. Aber ich finde englische Geschichte und Shakespeares Reflexion so interessant, dass es mal raus muss Die Rosenkriege beschreiben die Epoche zwischen 1399, der Entmachtung von Richard II, und 1485, der Entmachtung von Richard dem III. In den Jahren dazwischen regierten die Henrys IV-VI, aus dem Hause Lancaster sowie Edward IV, aus dem Hause York. Henry IV entriss Richard II die Macht und sorgte so dafür, dass die rote Rose des Lancaster-Hauses lange erblühte. Da Richard II der Thron jedoch auf nicht legitime Weise entrissen wurde, waren die Machtverhältnisse immer unsicher und so konnte Edward IV auch den jungen Henry VI vom Thron stoßen, ihn ermorden lassen und die weiße Rose des Hauses York herrschen lassen. Richard III kam auch mit Gewalt und Mord auf den Thron. Henry VII, der Richard III im Kampf besiegte, einte durch eine Heirat beide Häuser und beendete so den Krieg zwischen den beiden Geschlechtern.

Soweit die Geschichte. Interessant ist, dass Shakespeare fast allen diesen Herrschern eine so genannte Historie widmet. Neben Tragödien und Komödien sind die Historien die dritte Klasse von Dramen, die Shakespeare vor allem in seinen frühen Jahren schrieb. Interessant ist auch, dass er dabei definitiv nicht subjektiv ist. Er lebte unter der Herrschaft von Henry VIII und Elizabeth I. dem Sohn und der Enkelin von Henry VII. Seine Historien rechtfertigen die Herrschaft von Henry VII, dem ersten Tudorkönig. Zu einem wird Richard III eben als ganz fürchterlicher, schrecklicher und tyrannischer Herrscher dargestellt. Zum anderen werden die Henrys, direkte Vorfahren von Henry VII, vor Richard III in einem sehr glorifizierenden Licht gezeigt. Interessant ist auch, wie Richard II, der ja von einem Henry entmachtet wurde, von Shakespeare gezeichnet wird: schwach, kindlich und unfähig. Ich weiß leider nicht genau, ob Shakespeare diese Tudor-Propaganda fahren musste, schließlich wurden seine Stücke schon damals ständig gezeigt, oder ob er die Geschichte so wiedergab, wie er sie empfand.

Richard III ist also der Teufel, der Böse und dabei total faszinierend. Als ich eben noch mal einige Passagen des Stückes las, stieß ich auf folgende Zeilen, die eine Frage ansprechen, die mich immer wieder beschäftigt:

Since I cannot prove a lover,
To entertain these fair well-spoken days,
I am determined to prove a villain. (Richard III, I, 1)

In diesen drei Zeilen begründet Richard, warum er so bösartig ist und weiht dann im Folgenden die Zuschauer in seine evil plans ein, was dazu führt, dass man sich den anderen Figuren gegenüber überlegen fühlt und so’ne Art Verschwörung gemeinsam mit Richard verspürt. Aber zurück zum Zitat. Richard ist böse, weil er nicht anders kann. Er ist „dertermined“, dazu bestimmt, weil er nicht dazu gemacht ist, ein Liebhaber zu sein. In den Zeilen davor beschreibt er die friedlichen Zeiten, die gerade vorherrschen. In diesen muss man schön und galant sein, um vor allem das andere Geschlecht zu beeindrucken. Richard hat einen Buckel und ist vollkommen unattraktiv, er hat da also keine Chance. (Dass er als er König ist, doch Anne becircen kann, ist eine andere Geschichte). Er weiß also in Zeiten des Krieges nichts mit sich anzufangen und kann also praktisch gar nicht anders als der Bösewicht zu sein.

Dass dies wahrscheinlich auch nur eine Ausrede ist, um seine Machtsucht und seine Boshaftigkeit vor dem Publikum zu rechtfertigen, sei mal dahingestellt. Interessanter finde ich den Gedanken der Determination. Gibt es Menschen, die zum Böse-sein determiniert sind? Wenn ich böse Menschen sehe, frage ich mich oft, wie die wohl als Kinder ausgesehen haben. Waren sie schon immer böse? Schlummert es in jedem von uns? (Ist Richard III deswegen so faszinierend?) Ist das Böse nur eine gesellschaftliche Krankheit? Gibt es überhaupt böse Menschen oder nur böse Taten? War Hitler böse? Diese Vielzahl an Fragen zeigt erneut wie viel Potential in drei Zeilen von Shakespeare steckt.

Ich weiß nicht, ob Menschen böse sind oder es erst werden. Ich muss in diesen Zusammenhang immer an eine Szene aus „Der Pianist“ denken. Soldaten bekommen den Befehl, das Ghetto zu kontrollieren und stürmen in alle Häuser und fordern alle Anwesenden auf, sich aufzustellen. In einem Haus sitzt ein Rollstuhlfahrer, der nicht aufstehen kann. Dieser wird vom Balkon geschubst. Warum? Dafür gab es doch auch aus befehls-technischen Gründen keinen Anlass. Das war unnötige Grausamkeit, von der man im Krieg immer wieder hört. Aber ich will nicht zu weit abschweifen. Dass Menschen grausam und böse sein können, ist nun mal so. In welchem Maße es eine böse Natur gibt und wie viel durch Sozialisation und Erziehung erfolgt, weiß man wohl nicht. Aber ich will’s gern wissen. Weil, wenn Menschen wie Richard wirklich dazu bestimmt sind, böse zu sein, kann man ja auch alles Erziehen und Weltverbessern sein lassen. Wäre schon doof. Aber das Böse ganz abschaffen kann man wohl auch nicht. Dann hätte das Gute ja keine Chance, das hat zumindest mal ne sehr gute Freundin von mir gesagt. Ich glaube ich muss sie noch mal fragen…

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