Montag, 19. Oktober 2009

Our remedies oft in our selves do lie.

Our remedies oft in ourselves do lie.
(All’s well that ends well, I, 1.)

Dieses Zitat finde ich interessant, weil ich mich in letzter Zeit öfter gefragt habe, ob und in welchem Maße wir allein für uns selbst sorgen können und müssen. Ich meine damit nicht das Sorgen um die eigene Existenz und das körperliche Wohlergehen, sondern das Sorgen und Kümmern um unser seelisches Wohlergehen. Liegt es ganz an uns, dass es uns gut geht? Oder dürfen wir unser Wohlergehen in die Hände anderer geben, uns von anderen abhängig machen? Müssen wir uns selbst genug sein?

Wenn man allein ist, also außerhalb einer Partnerschaft, und besonders wenn man gerade eine Trennung hinter sich hat, hört man doch von Freunden den gutgemeinten Rat, jetzt erstmal mit uns allein glücklich werden zu müssen, unser Leben allein zu führen und ganz einfach mit uns allein zufrieden zu sein. Das ist ganz schön schwer, wenn man lange gewohnt war, alles zu teilen: die Sorgen, den Kummer, die Arbeit und vor allem die schönen Momente. Auf einmal soll es schön sein, für sich allein etwas zu kochen, allein den Abend zu verbringen und eben einfach mit sich selbst allein zu sein. Das alles sei wichtig, so die klugen Ratgeber, um wieder Platz in einer neuen Beziehung finden zu können. Ist das wirklich so? Muss man erst allen glücklich sein, um es zu zweit zu werden?

Natürlich sollte man sich erstmal selbst finden. Zu wissen, wer man ist, ist wichtig, um in einer Partnerschaft aktiv zu handeln und zu leben. Es ist gut möglich, dass Zeit nötig ist, um allein herauszufinden, was man wirklich mag, und wer man wirklich ist. Aber ich denke, dass wir Menschen uns ohne andere gar nicht definieren können. Meiner Meinung nach gibt es nicht das ICH und die anderen sondern nur das ICH mit den anderen. In diesen vermeintlichen Selbstfindungsprozessen von Neu-Singles geht es doch nicht darum, sich zurückzuziehen und zu sehen, wer man selbst ist. Nein, man geht raus, knüpft neue Kontakte, durch die mitunter neue Seiten der Persönlichkeit entdeckt werden können. Ich denke also, dass man sich selbst nie genug sein kann, da man immer andere braucht, die einen inspirieren, neu erfinden, halten, stützen und so weiter.

Der Grund, warum Neu-Singles das Alleinsein so schwer fällt, ist natürlich die geistige und seelische Abhängigkeit, in die man sich in einer Beziehung, absichtlich oder auch nicht, begibt. Oft wird diese Abhängigkeit als negativ bewertet. Teils wegen der Gefahr der Selbstaufgabe, die mitunter auch zum Scheitern einer Beziehung führen kann, da so die Partner aufhören gleichberechtigt zu sein, teils wegen der Gefahr des Fallens, wenn die Beziehung zerbricht. Darf man sich deswegen nicht von anderen abhängig machen? Müssen wir deswegen in einer Beziehung und auch in einer Freundschaft stets darauf achten, selbstständig zu bleiben, nichts aus der Hand zu geben?

Ich bin geneigt „Nein“ zu antworten. Die Probleme einer, vor allem zu starken einseitigen, Abhängigkeit sind mir bewusst. Ich sehe jedoch gegenseitige Abhängigkeitsverhältnisse unter Freunden und in Beziehung als etwas natürlich Menschliches und auch als durchaus positiv. Dass Freunde und der Freund für einen da sind, einem bei Problemen helfen und einem das Leben erleichtern, spricht doch dafür, sich ein Stück weit abhängig zu machen, und sein Glück in ihre Hände zu legen. Außerdem gibt es doch kaum einen größeren Vertrauensbeweis, als zu sagen: „Ich weiß du lässt mich nicht fallen, darum bin ich bereit, mich ein Stück von dir abhängig zumachen“, ist das nicht eigentlich sogar das Kernstück zwischenmenschlicher Beziehungen?

Es kann sein, dass ich das gerade auch alles so sehe, weil es einfacher ist, die Hilfe und das Dasein von Leuten anzunehmen, als allein zu kämpfen, aber selbst dann, hat das doch auch etwas Positives, oder?

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